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■ Bonn apartSchäbige Versetzung

Na, Herr Minister Wissmann, so ganz scheinen Sie noch nicht damit fertig zu sein, daß sie nur gut hundert Tage an der Spitze des Bundesministeriums für Forschung und Technologie saßen (standen?). Jetzt darf dort der Shooting-Star Jürgen Rüttgers Karriere machen. Und ihr ehemaliges Haus gleich mit: Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie heißt das Superressort jetzt. Inoffiziell schmückt der Rüttgers sich mit dem schönen Titel „Zukunftsminister“, den die Zigarettenindustrie vor einiger Zeit erfunden und plakatiert hatte.

Sie dagegen hat der Kanzler schäbigerweise ins Verkehrsministerium abgeschoben. Ihren Ehrgeiz müssen Sie jetzt auf den Ihnen anvertrauten Verkehrswegen ausleben, zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Sogenannte intelligente Leitsysteme, die Staus vermeiden helfen sollen, das war eine Ihrer ersten High-Tech-Ideen im neuen Amt. Doch jetzt planen Sie gar einen neuen Krieg der Sterne: „Wissmann will Fahrzeugdiebstähle per Satellit eindämmen“ war diese Woche zu lesen.

Auf 142.000 soll 1994 die Zahl der Wagen angestiegen sein, die kriminell aus der Bundesrepublik verschoben werden, meist nach Polen. Noch 1991 waren es 85.000. Sie wollen nun den Autofahrern kleine Satellitensender schmackhaft machen, die sie in ihre Fahrzeuge einbauen können. Die Autoräuber könnten sich dann eben nicht mehr sicher sein, daß es genügt, die Zündung kurzzuschließen, um mit 180 Sachen die Kurve zu kriegen. Big Brother Wissmann is watching them.

Genau deswegen hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter schon Bedenken angemeldet. Erstens der Datenschutz. Und zweitens: Was nütze es dem Fahrzeughalter, wenn er wisse, daß sein Liebstes zur Zeit an der polnischen Grenze geparkt sei? Wir haben noch einen weiteren Einwand gegen den Satelliteneinsatz, Herr Wissmann: Er paßt einfach nicht ganz zu Ihrer fast zeitgleich geborenen Idee, daß das Car-sharing in den Städten besser genutzt werden müsse. Einer Ihrer Studien zufolge kämen ganze 1,2 Millionen Autos von der Straße, wenn die Deutschen sie sich geschwisterlich teilten, statt jeder für sich einen Wagen zu kaufen. Herr Wissmann, da sollten Sie den Autoschiebern doch vielmehr dankbar sein, daß die, ohne ihre Studie überhaupt zu kennen, das Problem jährlich um 142.000 Pkw verringern!

Denn wer nach wie vor an die Verflüssigung der bundesdeutschen Staus durch „Leitsysteme“ glaubt, dem ist nicht so recht abzukaufen, daß er wirklich was kapiert hat vom Zusammenhang zwischen Umwelt und Verkehr. Andrea Dernbach

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