■ Bonn apart: Vagabundierende Akte
Es klingt wie der Anfang eines schlechten Krimis: Die Polizei wird zu einem Einsatz gerufen, und noch während die Beamten das Opfer verhören und den Täter dingfest machen, wird ihnen aus dem (angeblich) verschlossenen Dienstfahrzeug ein Aktenordner mit brisanten Unterlagen gestohlen. In der Kladde sind Informationen und detaillierte Lagepläne von Villen, Bungalows und Wohnungen von in Bonn lebenden Prominenten wie Bundestagsvizepräsident Klein oder Entwicklungshilfeminister Spranger abgeheftet. Alles Leute, die unter Personenschutz stehen.
Am nächsten Morgen findet sich der als Verschlußsache („Nur für den Dienstgebrauch“) deklarierte Ordner vor der Türe eines stadtbekannten Boulevardjournalisten.
Im Krimi wäre eine der hochrangigen Persönlichkeiten ermordet, wenigstens aber entführt worden. Das wirkliche Leben ist diesmal gnädiger. Außer der Blamage für die Polizei – schließlich hat der Express-Reporter zu Recht eine große Geschichte aus dem nachweihnachtlichen Geschenk gestrickt – hat die Schlamperei keine Folgen. Wie der zuständige Innenminister sagt, gebe es „keine Anhaltspunkte dafür, daß die Unterlagen einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt sind“. Ergo: Hartgesottene Detektive oder ehrgeizige Jurastudentinnen wie Julia Roberts in „Die Akte“ sind nicht gefragt.
Für nur drei der in der Akte verzeichneten 28 Personen sind die Schutzvorkehrungen noch aktuell. Dennoch war man im Bonner Polizeipräsidium spontan der Meinung: „Es wäre eine Katastrophe, wenn diese Akte Terroristen in die Hände gefallen wäre“, auch wenn man später beschwichtigend meinte, „so brisant wie öffentlich dargestellt, sind die Unterlagen nicht“. Trotzdem wird nun geprüft, ob die Sicherheitsvorkehrungen für die Betroffenen neu organisiert werden müssen.
Der Innenausschußvorsitzende Willfried Penner bezeichnet den Vorgang ganz vorsichtig als „außerordentlich verwunderlich“. Angesichts der jüngsten Anschläge der Antiimperialistischen Zelle sei das Ganze für die Betroffenen „sehr bedrückend“. So mancher Promi wird sich fragen, wie groß der ihm gebotene Schutz tatsächlich ist, wenn sich so eine Akte mal so eben aus dem Streifenwagen klauen läßt. Karin Nink
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