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Archiv-Artikel

Bohemiens und Rollmöpse

Funny van Dannen ist „Zurück im Paradies“. So heißt seine neue Sammlung von Erzählungen. Aber natürlich geht es in dem Buch um ganz andere Dinge

Es heißt, man solle die Qualität einer Geschichtensammlung an ihrer besten messen. Weil aber der Schriftsteller Funny van Dannen wie immer vier große Themenkomplexe verfolgt, sei es an dieser Stelle erlaubt, auf ein paar mehr als nur eine der über sechzig winzigen Erzählungen hinzuweisen, die im sechsten Buch des Sängers, Malers, Schriftstellers und Vaters von vier Söhnen „Zurück im Paradies“ erschienen sind.

Da ist zum Ersten die beste Geschichte zum Thema Liebe und Sexualität. Man denke an den alten Songklassiker Funny van Dannens, in dem eine Frau Liebe will und Homebanking bekommt, oder an den gehörnten Wanderprediger. Diesmal rühren besonders die dicke Frau und der schwule Mann, die nicht zueinander finden und deshalb beschließen, einen Brandenburger Stein herumzuschleppen. Und zum Zweiten ist das der Themenkomplex Christentum, man denke an den katholischen Jungen und das evangelischen Mädchen oder an Adam und Eva, die „nackt an der Nachtbar“ saßen. In Funny van Dannens neuester Geschichte sind Adam und Eva alt geworden und beschließen eines Tages, endlich einmal wieder Gott zu besuchen. Sie finden es ganz schön bei ihm, aber zurück können sie trotzdem nicht, denn die Menschen sind nicht so leicht zu verpflanzen.

Soll das also heißen, dass sich im Universum des Funny van Dannen nichts geändert hat, in dieser Welt, wo der Alltag immer mehr zählt als das Große und das Ganze? Nein, es ist nicht alles beim Alten geblieben. Zum einen hat Funny van Dannen seine berühmten Gegenstände endgültig auf Eis gelegt, seinen Themenkomplex Nummer drei, die sinnfreien und grausig bis albernen Butterkekse und Rollmöpse. Zweitens erinnern seine Tiere (Themenkomplex vier), all diese onanierenden Wanderpandas und grünen Hühnchen, immer weniger einfachen Allegorien und immer mehr den seltsamen Tieren eines Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern, die nicht in dem aufgehen, was sie bedeuten.

Und drittens, und das ist fast das Wichtigste: Der Müll, wie ihn Funny van Dannen selbst nennt, die Bild-Überschriften, Werbeweisheiten und Volksmeinungen, die Worthülsen und Konsensmeinungen, mit denen der Poet im Befinden der Zeit fischt und seine berühmten metaphysischen Fallhöhen erzeugt: Sie alle verändern sich natürlich permanent. Da kann es schon einmal passieren, dass ein Rentner vorm Reichstag für Existenzgeld demonstriert, ein Hartz-IV-Empfänger die Dienstleistungsgruppe seines Freundes rausschmeißt, weil er lieber an die Decke guckt, und die Kinder der Hippies lieber über Vitamine reden als über freie Liebe. Es steht eben immer prekärer ums Prekariat, und das Zeitalter, in dem wir leben, fühlt sich beinahe schon wieder viktorianisch an.

Diesen Kommentaren, an denen immer gleich viel Echtes wie Blödelndes ist, diesem Humor und dieser Leichtigkeit ist es zu verdanken, dass Funny van Dannen, der 1978 aus dem niederrheinischen Tüddern nach Berlin-Kreuzberg kam und heute noch behauptet, er möchte lieber unterm Apfelbaum sitzen als großes Geld verdienen, immer ein Fixstern im Paralleluniversum bohemistischer Lebensweisen bleiben wird. Seine Platten, die sei 1995 erscheinen, werden immer weiter gehört werden, seine Konzerte werden immer ausverkauft bleiben, und möglicherweise wird es ja auch dieses Buch wie sein Vorgänger in die Spiegel-Bestsellerlisten schaffen.

Zuletzt sei aber nichtsdestotrotz noch eine kleine Leseanleitung gegeben. Man sollte sich die Geschichten auf den Nachttisch legen und täglich eine lesen. Will man sie alle am Stück, dann kann es einem wie Rüdiger ergehen, wie der Hyäne, die öfter mal den Kontakt zur Wirklichkeit verliert.

SUSANNE MESSMER

Funny van Dannen: „Zurück im Paradies“. Verlag Antje Kunstmann, München 2007, 174 Seiten, 14,90 Euro