Blogger und Rennfahrer Han Han: Mit Humor gegen Chinas Zensur

Viele Chinesen begegnen der Einmischung des Staates mit Humor. Der Shanghaier Blogger Han Han schreibt regelmäßig darüber – mit großem Erfolg.

Der Blog von Han Han bring Millionen Chinesen zum Lachen. Bild: ap

PEKING taz | Der 28-jährige Han Han ist cool, witzig, intelligent und einer der populärsten Blogger Chinas. Sein Erfolg und seine Karriere sind ein Beispiel für das alltägliche Katz-und-Maus-Spiel mit der chinesischen Zensur.

Vor zehn Jahren gewann Han Han einen Literaturwettbewerb: Er kritisierte die stupide Auswendiglernerei und sprach damit vielen seiner Altersgenossen aus dem Herzen. Kurzerhand brach der Shanghaier die Schule ab und begann eine Karriere als Rennfahrer. Nebenbei publizierte er einen Roman nach dem anderen.

Auf seiner Webseite kommentiert Han Han nun seit Jahren die Absurditäten des chinesischen Alltags, so bissig und treffsicher, dass sich auch ältere Landsleute köstlich amüsieren, die sonst gern über die geistige Flachheit der Jugend klagen. Millionen Chinesen lesen inzwischen seine Einträge.

Abonnieren Sie die Digitaz und lesen Sie abends schon die komplette taz von morgen. Direkt auf Ihrem Computer. Einen Monat lang. Für nur 10 Euro.

Er sprang vor kurzem für einen Abteilungsleiter in der Tabakmonopol-Verwaltung in die Bresche, der so dumm gewesen war, Tagebuch über seine Sex-Affären, Trinkgelage und korrupten Deals zu führen. Der Funktionär verlor seinen Job, nachdem seine schlüpfrigen Bekenntnisse im Internet kursierten. Der Blogger hingegen pries den Tabakchef als "guten Kader", weil er sich mit so wenig Schmiergeld - "nur" 60.000 Yuan (ca. 6.600 Euro) im halben Jahr - zufrieden gegeben habe. Han Han: "Wo findet man sonst noch einen derart sauberen Bürochef?" Per Netz forderte er die Leser auf, zu wählen, ob der Beamte wieder eingestellt oder hart bestraft werden sollte.

Ein paar Tage später gab Han Han bekannt: von 210.000 Zuschriften hätten sich "96 Prozent" zugunsten des Tabakfunktionärs ausgesprochen. Er versprach, seine Leser künftig häufiger abstimmen zulassen. Damit wolle er all jene Landsleute entschädigen, die frustriert seien, "weil sie noch nie einen Wahlzettel gesehen haben". Zensieren lässt sich so etwas nur schwer, will sich die Regierung nicht selbst zum Gespött machen will. Manchmal allerdings lösche Han Han vorsichtshalber besonders heikle Blogs, gibt er zu.

Derzeit ist der 28-Jährige wieder im Gespräch. Das amerikanische Magazin Time hat ihn zum Kandidaten der "100 einflussreichsten Persönlichkeiten" der Welt nominiert, deren Sieger durch eine Wahl im Internet bestimmt werden. Die Fans von Han Han sind mobilisiert: Bis Mittwoch war er auf Platz drei der gesamten Liste vorgerückt - weit vor den anderen Mitbewerbern aus der Volksrepublik, darunter hochrangige Politiker und der inhaftierte Oppositionelle Liu Xiaobo.

Ganz ungestraft lassen die Zensoren den Starblogger allerdings nicht gewähren: Seit über einem Jahr versucht er vergeblich, ein eigenes Literaturmagazin unter dem Titel Ein Chor von Solisten herauszugeben, mit dem Anspruch die Autoren gut zu bezahlen und zum unabhängigen Denken zu ermuntern. Doch auf der Liste seiner Publikationen steht nach wie vor nur die Ankündigung. Der Grund: Die Behörden weigern sich, ihm eine Lizenz zu geben.

***

Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.

Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.