Biotechnologie: Grüne Gentechnik macht Branche Sorgen
Die Biotechnologie kommt nicht voran: Trotz aller Lobbyarbeit sind genveränderte Lebensmittel nicht gefragt
FRANKFURT/M. taz Bernward Garthoff ist der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB). Der Lobbyist macht sich große Sorgen um die Branche, respektive um deren grüne Unterabteilung. Während der Einsatz von Bio- und Gentechnologie in der Medizin, in der Pharma- und auch der Chemieindustrie in der Bevölkerung längst mehrheitlich akzeptiert sei, komme die grüne Variante in Deutschland nicht voran, beklagte er am Mittwoch in Frankfurt. Und mit ihrem Entwurf zur Novelle des Gentechnikgesetzes habe jetzt auch die Bundesregierung die Weichen auf "Rückschritt statt Fortschritt" gestellt.
Die geforderten Abstände von anderen Feldern zu Anbauflächen mit gentechnisch verändertem Mais seien viel zu hoch und "wissenschaftlich nicht zu begründen", moniert Garthoff. Die gesamtschuldnerische Haftung von Landwirten, die mit gentechnisch verändertem Saatgut arbeiten und dabei die Äcker konventionell oder ökologisch wirtschaftender Bauern kontaminieren, widerspreche dem Verursacherprinzip im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dazu komme noch eine Steuerreform, die Unternehmensgründungen in der Branche allgemein eher behindere statt befördere, klagt der DIB-Chef. So sei die steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlustvorträgen beschränkt worden. Gerade Gen- und Biotechnologieunternehmen brauchten wegen der hohen Forschungsaufwendungen aber meist Jahre, um aus der Verlustzone herauszukommen.
Und dann noch - so Garthoff - die "Kriminellen", die ganze Äcker mit gentechnisch veränderten Pflanzen verwüsten. Tatsächlich hat sich die Anzahl der Feldzerstörungen 2006 gegenüber dem Vorjahr von 6 auf 22 mehr als verdreifacht.
Dass die Akzeptanz gentechnisch veränderter Lebensmittel trotz aller Lobbyarbeit in der Vergangenheit gerade in Deutschland weiter gegen null tendiert, ist auch Garthoff klar. Befragt nach dem Nutzen der grünen Gentechnik für die Verbraucher, bleibt aber auch der oberste Lobbyist eine gescheite Antwort schuldig. Man könne etwa ein Rapsöl mit veränderten Eigenschaften herstellen, sagt er. Aber wer braucht so etwas wirklich, wo es doch längst ganz ausgezeichnete, von Natur aus cholesterinfreie, aus kontrolliert biologischem Anbau gewonnene Rapsöle gibt? Dieses Problem hat die Branche nicht gelöst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel