piwik no script img

Binnewies-Ersatz auf breiter BasisVom Parteikalkül geheilt

Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen einigt sich in Goslar auf einen gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten: den FDP-ler Christian Eberl.

Kann offenkundig Bürgermeister: Christian Eberl (r.) beim Durchschneiden des Bands an einer Talsperre. Bild: dpa

GOSLAR taz | Nun soll es ein FDP-Mann in Goslar machen. Christian Eberl, Ex-Staatssekretär in Niedersachsens FDP-Umweltministerium und Ex-FDP-Bundestagsabgeordneter, soll im September als gemeinsamer Kandidat von SPD, Grünen und FDP bei der Oberbürgermeisterwahl in Goslar antreten. Das haben die Vorstände von SPD und Grünen am späten Montagabend einstimmig beschlossen.

Vorangegangen war eine zähe Kandidatensuche. Anspruchsvoll sind die Anforderungen, die man in Goslar seit der Abwahl von SPD-Oberbürgermeister Henning Binnewies im April stellt. Das "Gegenmodell" zu Binnewies soll der Kandidat aus Sicht des Grünen-Fraktionsvizes im Stadtrat, Jochen Baldauf, sein. "In Goslar politisch unbefleckt" für den dortigen SPD-Chef Alexander Saipa. Denn Binnewies war in der Stadt im Harz parteiübergreifend in Ungnade gefallen. Wegen Unregelmäßigkeiten bei den städtischen Finanzen, wegen mangelnder Kommunikationsfähigkeit und Beratungsresistenz.

Zuletzt machte der Sonnenkönig, wie man Binnewies in Goslar nennt, wegen eigenwilliger Dienstwagen-Wünsche von sich reden: Ein VW Phaeton, so fand er, sei das angemessene Fahrzeug für den Oberbürgermeister eines 40.000 Seelen-Städtchens. Selbst die SPD schloss sich der Abwahl-Initiative an, fast 90 Prozent der Wähler stimmten für das Ende der Ära Binnewies.

Der Liberale Eberl gilt nicht nur als verwaltungs- und politikerfahren. Der Grüne Baldauf rühmt zudem sein "ministrables und ordentliches Auftreten". "Nur für ihn" spreche der Zwist mit Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), der Eberl nachgesagt wird. 2008 hatte Sander seinen Staatssekretär in den einstweiligen Ruhestand versetzt - im Alter von 54 Jahren.

Im Bundestagswahlkampf 2009 sagte Eberl einen gemeinsamen Auftritt ab. Zuvor hatte Sander die Veranstalter einer Solarenergie-Messe gedrängt, einen Gastredner einer Europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien auszuladen. "Inakzeptabel" war das für Eberl, der heute bei einer Windkraft- und Solar-Firma arbeitet und nebenbei einen Forstbetrieb im Südharz betreibt.

Nicht nur die Grünen, auch die SPD in Goslar gibt sich überzeugt vom Kandidaten Eberl. Zwar sei es nicht leicht, dass man erstmals auf einen eigenen Kandidaten verzichte, räumt der Vorsitzende Saipa ein. Nach Binnewies - den SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel seinem Heimat-Ortsverein 2005 ausdrücklich empfohlen hatte - wolle man aber einen Kandidaten, den ein möglichst breites Bündnis mitträgt. "Wir haben aus der Vergangenheit gelernt", sagt Saipa. Das Parteibuch sei beim Vorstandsvotum am Montag, bei dem auch Gabriel zugegen war, nicht entscheidend gewesen.

Die Goslarer Liberalen sprechen indes von einem "dummen Zufall", dass ausgerechnet der beste Kandidat ein FDP-Mann ist. Spekulationen über eine Ampelkoalition im Stadtrat, wo bislang FDP und SPD zusammenarbeiten, lasse die Kandidatenkür aber nicht zu, sagt der FDP-Fraktionschefs Christian Rehse. "Wir wollen die Oberbürgermeisterwahl und künftige Stadtratsmehrheiten trennen."

Eberl selbst verweist darauf, dass er schon zu seiner Zeit als Staatssekretär alle Parteimandate niedergelegt habe. "Wer eine Spitzenposition in einer Verwaltung hat", sagt er, "sollte nicht parteipolitisch agieren." Und überhaupt sei er als promovierter Forstwissenschaftler trotz 30 Jahren FDP-Mitgliedschaft "von Haus aus Grüner".

Zu meckern hat an der Nominierung in Goslar einzig die CDU. An einer fraktionsübergreifenden Kandidatensuche wollte die sich nicht beteiligen: Sie hat den Juristen Oliver Junk aufgestellt. Der ist bislang CSU-Fraktionschef im Stadtrat von Bayreuth - wie Goslar hochverschuldet und traditionell eine SPD-Hochburg. Der 35-Jährige verspreche "neuen Schwung", glaubt Goslars CDU-Chef Carlos Mateo, Eberl hingegen habe "seinen Zenit längst überschritten".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!