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BildschneeScharfe Kanten

■ Lillehammer im Fernsehen (Teil 10)

Mit sogenannten Experten an den Mikrophonen ist das so eine Sache: Erstens sind es in der Regel frühere Sportler, die selbst die zu begleitende Sportart ausgeübt haben, und zweitens kommentieren sie meist so rührselig und betroffen, daß hinter all ihren Worten die exakte Einschätzung dessen, was vor den Kameras passiert, verschwindet. Karl-Heinz Rummenigge gehört beim Fußball noch zu den glücklichen Ausnahmen, die sich gelegentlich eine Frechheit wider Ihre Heiligkeiten, die Nationaltrainer, erlauben. Doch oft dumpft es freilich nur so, daß einem ganz schwarz-rot- gold wird.

Anders dagegen Erhard Keller, selbst zweimaliger Eisschnellaufsieger in Grenoble und Sapporo. Sachlich, kühl und außerordentlich kundig kommentiert er das Geschehen aus der Halle in Hamar. Er muß sich nicht einmal einen Aufpasser von der ARD gefallen lassen, der hauptberuflich als Zahnarzt wirkende Bayer mit dem hochdeutschen Akzent.

Noch besser allerdings gefällt ein Mann wie der ehemalige Slalomweltmeister Frank Wörndl. Was er am Mittwoch – im Bunde mit seinem ZDF- Aufpasser Karl Senne – mit reinstem Allgäuer Akzent ablieferte, war derart antörnend, so kundig und exakt in den Prognosen („Hier die Außenkante zu scharf – das wird nicht reichen“), daß die Olympiateilnehmer auf den Sofas zufrieden sein konnten.

Selbst die Freude über Markus Wasmeiers zweite Goldmedaille wirkte nicht deutsch: Es war einfach nur die Euphorie über eine sportliche Überraschung, die er – frühere Übertragungen belegen dies – auch Athleten anderer Verbände hätte angedeihen lassen. So kann TV-Olympia offenbar auch sein: leidenschaftlich, packend und meistens klug die Taten der Sportler kommentierend. Wenn das nächste Mal, 1998 im japanischen Nagano, das ZDF sich entschließen könnte, dem Senne Karl das Mikrophon zu entziehen, damit Wörndl noch mehr aus dem Nähkästlein plaudern kann, wären wir richtig glücklich. Jan Feddersen

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