Bildband des Neosituationisten Scott King: Am Tag, als Prada Meinhof starb
Gegen Konsumismus und Oberflächlichkeit: Der Art Director Scott King übt subversiv Kritik am Radical Chic. Doch der Kapitalismus ist ein harter Widersacher.
![](https://taz.de/picture/284103/14/scottking_artworks.20110110-13.jpg)
Wer in den Neunzigern Neorockbands wie Oasis gut fand, der hatte einen an der Waffel, fanden Matthew Worley und Scott King. In Oasis erkannten die smarten jungen Männer "die erste den Zeitgeist definierende Bands, die absolut nichts zu sagen hatte". Blur-Sänger Damon Albarn hassten sie wegen seines angelernten Cockney-Akzents. Britpop - nichts als der Versuch, die Gentrifizierung Londons zu verherrlichen. Young British Artists - ein guter Marketinggag. Cool Britannia - ein Wort für den rechten Backlash unter der Benutzeroberfläche von "New Labour".
Was Worley und King den offiziellen britischen Popmythen an Witz, Satire und scharfen Überzeichnungen im Gewand glatten Designs und flotter Slogans entgegensetzten, lässt sich nun in einem schönen Band nachvollziehen. "Scott King: Art Works" bringt Poster, Collagen, Zeichnungen und Grafiken sowie einzelne Cover und Seiten der Magazine Crash, iD und Sleazenation.
Schon beim flüchtigen Durchblättern wird deutlich, dass Scott King sein Handwerk versteht. Er hat ja auch zeitweise als Art Director des Popmagazins i-D gearbeitet, wofür Jon Savage ihn preist: King habe nicht davor zurückgeschreckt, sich die Hände schmutzig zu machen. Scotts Grafiken sind locker auf dem Niveau der angesagtesten Magazin-Layouter und Werbedesigns seiner Zeit. Er beherrscht die Disziplin der Infografik, er malt Tortendiagramme und Flowcharts, um Dinge beim Namen zu nennen, die ihn umtreiben.
King denkt dialektisch. Er kritisiert die Mythen der Popkultur als verkaufsfördernde Maßnahmen und trauert, mal heimlich, mal offen über den Verlust der Emotionen, die er als Teenager durch Pop durchlebte. Die tragischen Helden Ian Curtis und Kurt Cobain lassen ihn nicht los.
Bekannt wurde das Duo Worley/King 1997 mit dem Magazin Crash und den dort verbreiteten neosituationistischen Ideen: "Consumption is a substitute for democracy." Das Projekt war kurzlebig, schon bald wurden seine Grenzen sichtbar. Denn richtig berühmt wurden Scott und Worley mit dem Crash-Slogan "Prada Meinhof". Damit veralberten die beiden Künstleraktivisten die zyklischen Bestrebungen der Kulturindustrie, ihre Produkte durch Gangster, Outlaws und insbesondere linksterroristische Ikonen als besonders wild und rebellisch, sexy und begehrenswert zu verkaufen.
Doch schon zwei Monate nach Veröffentlichung des Slogans in Crash tauchten die ersten Prada-Meinhof-Unterhosen im internationalen Hipness-Zentrum Berlin-Mitte auf. Das war kaum überraschend: Subversion ist im Reiche des hyperflexiblen Zeichenkapitalismus eine schwierige, wenn nicht unmögliche Disziplin geworden, was Praktiken wie die von Crash obsolet macht. Ganz davon abgesehen, dass Worley/Scott mit ihrer Form der Kritik womöglich selbst der Terror-Romantik aufgesessen sind.
Was bleibt, ist die satirische Übersteigerung des platten Konsumismus der Medien sowie ihrer Gaga-Formate, die Aneignung der Tortengrafik durch kritische Kunstpraxis, die Trauer über den verlorenen Glauben an falsche Versprechen, der Verrat durch die eigenen Wünsche. King ist klug genug, sich nicht zu überschätzen: "Ich habe nie daran geglaubt, jemals ein Jemand werden zu können. Ich wurde dazu ermutigt, ein kleiner Freiberufler zu werden - und das bin ich auch."
Scott King: "Art Works". JRP Ringier, Zürich, 2010, 232 Seiten, 32 Euro
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