Auch hier in der taz ist Bildung unter Zukunft zu finden. Es ist nicht eigentlich ein Problem der Reformpädagogik, es ist ein Problem der Pädagogik. Irgendwie scheint ihr immer was nicht recht zu sein: Heute ist Bueb Verkaufsschlager, der grösste opportunistische Verkaufsschlager seit Summerhill. Irgendwas wollen wir scheinbar von unseren Kindern, dass wir ihnen nie wirklich geben. Unsere Schulen sind immer der Spielplatz unserer Notwendigkeiten. Das Kind soll eigentlich schon immer irgendetwas: vor allem aber soll es immer "zukunftsfähig" sein. Die Pädagogik selbst scheint aber immer eine heile, kindgerechte, interessensfreie Welt reproduzieren zu wollen: ein Kinderparadies auf Erden zu sein. Irgendwie isses wie die Tour de France, alle wissen, ohne Doping geht's nicht und alle sagen, bei uns wird nicht gedopt. Zugleich sind Pädagogen per se zuerst einmal gute Menschen, denn sie sind Pädagogen, sozusagen berufsmässige Gutmenschen. Ich treffe in meiner Alltagswirklichkeit relativ wenig gute Menschen. Die meisten sind gehetzt, angefressen und damit zu immer erst auch egoistisch, meistens nicht einmal auf ihren Vorteil bedacht, wollen einfach nur bewahren, was sie haben. Es gibt wenig Aufrichtigkeit in der Debatte um Pädagogik und Bildungsmisere insgesamt. Kein Mitbedenken der gesellschaftlichen Umstände und der eigenen Umstände. Wie soll diese scheinbar immer schon ideale Bildungswelt funktionieren, wo die Welt drumherum immer mehr zur Sachzwangswelt wird. Konstantin Wecker hat schon vor Jahrzehnten ein schönes Lied drüber geschrieben:
Der dumme Bub hat ein Problem,
der dumme Bub ist schizophren.
Ihn hat seit heuer wie ein Feuer
die Paranoia, das wird teuer.
Was soll man machen mit dem Bub,
jetzt kriegt er täglich seinen Schub.
Wann des ned boid anders werd,
dann muaß no was passiern.
Man hat ins Kind doch investiert,
das muß sich doch rentiern.
Wir habns probiert mit kalten Güssen,
die hätten wirklich etwas helfen müssen.
Dann kam der Arzt - trarirara -
mit seinen Psychopharmaka.
Mein Gott, die Schande ist enorm,
der Bub ist wirklich deppert wordn.
Wann des ned boid anders werd,
dann muaß no was passiern.
Man hat ins Kind doch investiert,
da muß es doch pariern.
Und gestern schleppt er mit der Tram
a Zwanzig-Zentner-Bomben an.
Er sagt: "Ich sprenge das System!"
jetzt sehn Sie´s selbst, der Bub ist schizophren.
Damit er endlich mal pariert,
wird ihm das Hirn rausoperiert.
Des muaß jetzt endlich anders werdn,
jetzt muaß moi was passiern.
Man kann doch in das dumme Kind
ned dauernd investiern.
Sieh da, das war des Pudels Kern.
So ohne Hirn hat man ihn richtig gern.
Jetzt dreht er Däumchen, so a Freud!
Und ist ganz friedlich und bereut.
Der Doktor sagt: "Des werd scho werdn,
die meisten lebn ned lang und sterbn."
Irgendwann muß jeder mal
den Grundsatz akzeptiern:
Wann ein Kind ned hören will,
dann muß mas operiern!
Die Sozialgeschichte der Odenwaldschule seit ihrer Gründung ist vor allem eins: merkantiler Überlebenskampf. Da muss man nur den Beitrag von Herrn Oelkers zu lesen. Pädagogik hat immer was von den Milleniumzielen der UN. Bei der Reformpädagogik ist der Widerspruch einfach nur eklatanter, da das versprochene Paradies immer schon die kindgerechteste Form der Entwicklung ist. Hat jemand eigentlich mal an die Parallelen im Sprachgebrauch zur tiergerechten Aufzucht gedacht? Die Kirche zumindest weiss, wie man mit Sünden umgeht. Wir wissen alle, Eltern, Universitätspädagogen, Lehrer, was wir da machen, hat viele versteckte Motive, auf dem Papier erscheinen nur die, die druckfähig sind. Die Pädagogik ist vor allem eins: ein auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragener Kampf um die bessere Idee für unsere Gesellschaft. Die Eltern selbst opportunistisch, da das Kind immer, wenn irgend möglich, seinen Schein bekommen soll. Kein Wunder, dass die Kiddies, dies schnallen, abkotzen. Sie drücken's dann zumeist nicht so fein aus.
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