Bilanz der SPD-Medienholding: "Das hatte auch etwas Skurriles"

Der Streit des ehemaligen Frankfurter Rundschau-Chefredakteurs Storz mit der SPD-Schatzmeisterin wird Thema beim Rückblick der Medienholding DDVG sein.

Auf die DDVG warten unbequeme Fragen. Bild: dpa

Wenn heute im Hamburger Verlagshaus der Deutschen Druck- und Verlagsholding (DDVG) die alljährliche Bilanz ihrer Beteiligungen an diversen Regionalzeitungen und der Frankfurter Rundschau der Presse vorgestellt wird, darf sie natürlich nicht fehlen: Ingrid Wettig-Danielmeier. Bei jedem anderen Tageszeitungsunternehmen würde die Anwesenheit einer Partei-Schatzmeisterin für Irritationen sorgen. Doch die Herrin des SPD-Parteivermögens spielt als Generaltreuhänderin ihrer Partei qua Amt eine wichtige Rolle bei der DDVG (siehe Kasten).

Die SPD-Medienholding ist u. a. an folgenden Verlagshäusern beteiligt: Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main mit 40 Prozent (Frankfurter Rundschau); Presse-Druck mit 100 Prozent: ist mit 57,5 % am Zeitungsverlag der Neuen Westfälischen in Bielefeld beteiligt; Dresdner Druck- und Verlagshaus mit 40 Prozent (Sächsische Zeitung, Morgenpost Sachsen); Verlagsgesellschaft Madsack mit rund 23,1 Prozent (u. a. Hannoversche Allgemeine). Darüber hinaus ist die Verlagsgesellschaft Madsack mit 50 Prozent an der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft (Leipziger Volkszeitung) beteiligt. TAZ

Für Irritationen also kein Grund? Und ob: Schließlich hatte die Generaltreuhänderin im Falle der Frankfurter Rundschau (FR) gegen den Grundkonsens der DDVG verstoßen, keinen parteipolitischen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung der Blätter zu nehmen, an der die DDVG beteiligt ist.

Bei der FR, damals gerade von der DDVG aus einer extremen finanziellen Schieflage gerettet und zu 90 Prozent im Besitz der Parteiholding, erhielt Chefredakteur Wolfgang Storz am 31. August 2005 Post auf SPD-Briefpapier, Absenderin: Ingrid Wettig-Danielmeier. In der Zeitung sei "in den letzten Wochen so mancherlei zum Thema 'Linkspartei' erschienen. Manches davon zutreffend, manches sehr einseitig, gelegentlich auch provozierend, einiges davon auch uninformiert", machte sich die SPD-Schatzmeisterin Luft. Und trug Storz an, eine Analyse der Autorin Helga Grebing über "einen interessanten Aspekt des Verhältnisses von SPD und Linkspartei" ins Blatt zu rücken: "Ich würde mich freuen, wenn dieser Beitrag über die Frankfurter Rundschau bald einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden könnte." Um es der FR ganz einfach zu machen, fand sich noch der Nachsatz: "PS: Den Grebing-Text können Sie per e-mail von meinem Büro abrufen."

Die Antwort des FR-Chefredakteurs ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Sie haben mir diesen Brief offiziell als Schatzmeisterin der SPD () geschrieben. Sie werden verstehen, dass ich allein deshalb Ihrer sehr eindeutig vorgetragenen Empfehlung, den Text von Helga Grebing in der FR abzudrucken, nicht nachkommen kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies die redaktionelle Unabhängigkeit berührte", antwortete Storz - und bat um ein Gespräch.

Doch Wettig-Danielmeier fühlte sich gleich zweifach übergangen: Sie habe sich "als Leserin der Frankfurter Rundschau an Sie gewandt, weil ich fand und nach wie vor finde, daß die Auswahl der FR bei Fremdautorinnen und -autoren dem überregionalen Anspruch nicht genügt", heißt es in der Rückantwort der SPD-Schatzmeisterin: "Wenn die Weitergabe der Analyse einer renommierten Historikerin an den Chefredakteur von diesem als unzulässiger Einfluss auf die redaktionelle Unabhängigkeit empfunden wird, dann könnte dieses auch auf einem Missverständnis über redaktionelle Unabhängigkeit und Führung einer Redaktion beruhen."

Für Storz deutete sich schon hier der Anfang vom Ende an: "Da haben Sie Ihr Kündigungsschreiben schon in Händen", habe ihm sein Anwalt gesagt, erinnert sich Storz heute.

"Die Bewertung, ich hätte die FR zum Propagandablatt der Linkspartei gemacht, halte ich für absurd", sagte Storz zur taz. Zu dieser Einschätzung und auf die Idee, als SPD-Schatzmeisterin den Chefredakteur einer unabhängigen Zeitung politisch abzumahnen und eindeutige Anweisungen zu geben, könne man nur kommen, wenn man "in einer Welt lebt, in der Politbüros noch etwas zu sagen haben". Für ihn, so Storz im Rückblick, hatte das alles "auch etwas Skurriles".

Offiziell wurde der FR-Chefredakteur erst am 16. Mai 2006 geschasst; die Branche ging davon aus, dass es an seiner Weigerung lag, weitere Einsparungen in der Redaktion mitzutragen. Kurz nach der - ohne Begründung erfolgten - Trennung von Storz verkaufte die DDVG die Mehrheitsanteile der FR an das Kölner Zeitungshaus DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Express, Mitteldeutsche Zeitung).

Storz Bilanz seiner Zeit beim linksliberalen Blatt bleibt gemischt: Er kam Ende 2002 zur FR und führte das Blatt durch den Stellenabbau nach der Medienkrise und den Verkauf an die DDVG - bei stetig sinkenden Verkaufszahlen. Dies sei aber ausschließlich ein Abschmelzen von "wirtschaftlich unrentabler Auflage", also von Probe- und Gratisexemplaren gewesen, so Storz. Doch die FR kämpfte schon lange mit einem schleichenden Bedeutungsverlust, den die zaghafte Chefredaktion unter Storz nicht stoppen konnte. Mit der "Rettung" durch die DDVG kam noch ein klares Imageproblem dazu.

Auch wenn sich die Parteilinie im redaktionallen Alltag nie Einfluss verschaffen konnte: Dass die Aktionen der SPD-Schatzmeisterin den Zweiflern von damals nachträglich recht geben, muss zu einer neuen Diskussion über die Zulässigkeit von Parteibeteiligungen an Medienunternehmen führen. Die DDVG-Spitze hat heute wohl einige unbequeme Fragen zu beantworten.

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