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Bewegung als Therapie"Sport wird zu wenig genutzt"

Interview mit Dr. Andreas Ströhle über den Einsatz von Sport bei der Behandlung psychischer Krankheiten.

Ausdauertraining besser für die Psyche als Krafttraining. Bild: dpa

taz: "Berlin läuft mit Seele - laufen Sie mit", so lautet das Motto der für Sonntag angekündigten Laufveranstaltung "Run Your Mind". Machen Sie mit?

Dr. Andreas Ströhle: Leider bin ich terminlich verhindert. Das ist nämlich eine wichtige Veranstaltung. Zum einen werden Gesunde und psychisch Erkrankte zusammengebracht, zum anderen wird die wichtige Botschaft transportiert, wie bedeutsam Sport für psychisch Kranke ist.

Welche Bedeutung hat denn der Sport bei der Heilung von seelischen Krankheiten?

Sport unterstützt und verstärkt die Wirkung von anderen Behandlungsverfahren. Es gibt derzeit leider noch zu wenige Studien, die belegen könnten, dass Sport als alleinige Therapieform eine vergleichbare Wirkung wie Psychotherapie oder Psychopharmaka haben. Im Einzelfall bei leicht ausgeprägter Symptomatik kann man es aber durchaus auch mal nur mit Sport versuchen.

Geht es in den psychiatrischen Kliniken also recht sportlich zu?

Als unterstützende Maßnahme ist der Sport anerkannt. Er dient in den Kliniken aber auch zur Tagesstrukturierung, zur Beschäftigung und Ablenkung von Patienten. Generell werden die spezifischen möglichen Effekte von körperlicher Ertüchtigung gewiss zu wenig genutzt.

Woran liegt das?

Andere Therapieformen standen in der Vergangenheit im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Die Psychotherapie und Pharmaindustrie haben eben eine viel größere Lobby.

Hilft Sport bei psychischen Krankheiten in jedem Falle?

Bei Depression und Angsterkrankungen sind die positiven Effekte nachgewiesen. Standardisierte Tests beweisen, dass das subjektive Befinden bei sportlich aktiven Patienten positiver eingestuft wird als bei den nicht aktiven. Zu der Wirkungsweise von Sport bei Psychosen oder Schizophrenien fehlt es noch an Forschungsarbeiten. Bei Essstörungen muss man das Ganze differenzierter betrachten, weil hier der Sport auch exzessiv eingesetzt wird, um das Gewicht zu reduzieren, in Einzelfällen kann dies selbstschädigende Ausmaße annehmen. Hier geht es weniger um die Motivation zur körperlichen Bewegung, sondern um den vernünftigen Umgang mit Sport.

Zu viel Sport ist demzufolge unvernünftig?

Zu viel Sport und unphysiologisches Training ist gewiss kontraproduktiv. Wenn die Patienten zu sehr über ihre Grenzen gehen, verlieren sie ihren Spaß, dann nimmt auch die Verletzungsgefahr zu. Es wird immer wieder diskutiert, inwiefern die Gefahr einer Sportabhängigkeitsentwicklung besteht. Ich selbst hatte einmal einen Patienten, der nach einer Alkoholabhängigkeit suchtartiges Sportverhalten gezeigt hat. Aber ich bin der Überzeugung, dass das eher Ausnahmeerscheinungen sind.

Kann man zwischen Sportarten unterscheiden, die mehr oder weniger hilfreich sind?

Es gibt einzelne Studien, die aussagen, dass Ausdauertraining sinnvoller ist als Krafttraining. Aber das ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Grundsätzlich sollte man keinen bestimmten Sport verordnen. Es geht darum, mit dem Patienten zu ermitteln, was ihm Spaß macht, damit er dabei bleibt.

Wie schwierig ist es denn, einen depressiven Menschen zum Sport zu motivieren?

Das ist natürlich ein Problem, weil diese Menschen unter einer Antriebsarmut leiden. Hier müsste noch mehr geforscht werden, wie man die Patienten besser dazu bringen kann, sportlich aktiv zu werden. Bei schwer Depressiven dürfte das fast unmöglich sein.

Kann man die positiven Auswirkungen von Sport auch physiologisch nachweisen?

Man kann bestimmte Veränderungen von Hormonen im Blut sowie von Nervenüberträgerstoffen nachweisen, die möglicherweise mit den Effekten von Sport assoziiert sind. Leider hat man noch nicht aufzeigen können, welche Prozesse im Gehirn ablaufen, wenn Sport etwa subjektiv als stimmungsaufhellend empfunden wird.

INTERVIEW: JOHANNES KOPP

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