Betreuungsgeld könnte teuer werden: Haushälter fürchten die Herdprämie
Der Streit geht weiter: Die „Herdprämie“ könnte teurer werden als geplant, warnen Haushaltspolitiker der Koalition. Wie sie bezahlt werden soll, ist ungeklärt.
BERLIN taz | Zum Sinn oder Unsinn des Betreuungsgeldes gibt es in der Koalition gerade dutzende Einschätzungen. Doch kaum ein Anhänger der Leistung äußert sich zur Finanzierung, die den Staat Milliarden kosten würde. Jetzt meldet sich Unions-Haushälter Norbert Barthle zu Wort – und schlägt vor, das Betreuungsgeld später einzuführen. „Als Haushälter stelle ich mir die Frage, ob man das Betreuungsgeld ab 2013 oder später einführen sollte“, sagte Barthle der taz. „Ich kann mir vorstellen, die Leistung zu beschließen, sie aber später als jetzt geplant auszuzahlen.“
Das wäre neu: Bisher plant die Koalition, das Betreuungsgeld ab 2013 auszuzahlen. Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen und nicht in die Kita schicken, sollen für ein zweijähriges Kind 100 Euro im Monat bekommen. Ab 2014 soll es dann 150 Euro für Zwei- und Dreijährige geben. Dafür sind im Haushalt für dieses Jahr 400 Millionen Euro eingeplant. Ab 2014 würde die Leistung den Staat dann 1,2 Milliarden jährlich kosten. Das hat der Koalitionsausschuss im November beschlossen, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich jüngst noch einmal ausdrücklich hinter den Beschluss.
Doch gleichzeitig strebt die Koalition einen ausgeglichenen Haushalt an. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will ihn bereits 2016 erreichen. Die Milliarden fürs Betreuungsgeld wirken da wie Beton in einem fein austarierten Segelschiff. Auch Barthle verweist ausdrücklich auf das Ziel des ausgeglichenen Haushalts. „Das Betreuungsgeld ist eine strukturelle Mehrausgabe, die man sich vor diesem Hintergrund reiflich überlegen muss.“ Das Wort des haushaltspolitischen Sprechers der Unionsfraktion hat Gewicht, spätestens dann, wenn ein Gesetz nach der Sommerpause im Parlament verhandelt würde.
Hinzu kommt ein Effekt, der bei Sozialleistungen ein Naturgesetz ist. Die Finanzprognosen werden in der Regel von der Realität übertroffen. „Die Erfahrung lehrt uns, dass bei einer neuen Leistung die angesetzte Kostenschätzung im Laufe der Zeit häufig überschritten wird“, sagte Unions-Haushälter Barthle. „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies auch auf das Betreuungsgeld zutreffen würde.“ Als Beispiel nennt er das Elterngeld. Bei der Einführung hätten die Kosten bei rund 3 Milliarden Euro jährlich gelegen, sagte Barthle. „Aktuell sind es rund 5 Milliarden.“
Keine Gegenfinanzierung
Barthle ist nicht allein mit seinen Bedenken. Auch im Finanzministerium räumt man hinter vorgehaltener Hand ein, dass ohnehin unklar sei, wie die geplanten Summen für die „Herdprämie“ angesichts der bestehenden Kürzungszwänge finanziert werden sollen. Es gebe keine Gegenfinanzierung, heißt es aus Insiderkreisen.
Unterdessen warnen Experten davor, dass das Betreuungsgeld für den Staat teurer wird als geplant. So rechnet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung seit Jahren damit, dass bis zu 1,9 Milliarden Euro nötig seien. Grund: nicht genug Kita-Plätze. Ab 2013 haben alle unter Dreijährigen einen Rechtsanspruch auf eine Kita-Betreuung. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fehlen bundesweit aber immer noch 230.000 Kita-Plätze. Und wer keinen Platz bekommt, kann Betreuungsgeld bekommen.
Vor allem im Westen der Republik liegt die Betreuungsquote der Kleinkinder durchschnittlich bei nur rund 20 Prozent – in Ostdeutschland dagegen bei fast 50 Prozent. Selbst dort reichen die Plätze nicht: In mancher Kommune wollen gut 80 Prozent der Eltern ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung bringen.
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