piwik no script img

Betr.: "Tötungsverbot und Wert des Lebens", Theodor Ebert zu Peter Singers Thesen, taz vom 2.10.93

Die Frage, ob Drohungen und Behinderungen von Publikationen und Veranstaltungen, auf denen Singers Thesen diskutiert werden sollen, die richtigen Mittel sind, sei dahingestellt. Ich persönlich halte solche Mittel für verständlich, jedoch falsch. Vor allem weil sie Singer zusätzliche Aufmerksamkeit verschaffen.

Es geht, folgt man Singers Intention, letztlich darum, bestimmte Kriterien zu finden und Verfahren festzulegen, nach denen spezielle schwerstbehinderte Menschen getötet werden können, um sie und ihre nächste Umgebung von Leiden zu erlösen. [...] Rein pragmatisch betrachtet, klingt Singers Anliegen zunächst und vordergründig recht plausibel. Damit jedoch nicht genug. Kuhse/Singer wollen – lt. Ebert – „Neugeborenen nicht den Status einer Person zugestehen“. Sie halten eine Tötung auch dann für erlaubt, wo nicht ... „ein Handeln im besten Sinne des Kindes geltend gemacht werden kann“, ... wo Interessen der Familie oder der Gesellschaft den Ausschlag geben.“ [...]

Singer stößt nicht nur unwissend, was man einem Professor ja ohnehin kaum unterstellen kann, ein Tor in eine äußerst gefährliche Richtung auf, sondern geht auch gleich selbst noch einen Schritt hindurch.

Die Tötung geborenen menschlichen Lebens stellt gesellschaftlich zum Glück noch immer ein Tabu dar. Ausnahme ist der Krieg, der die straflose Tötung des Feindes sogar fordert. Kriege sind nun aber nicht gerade als Blüte des Humanismus zu bezeichnen.

Würde sich nun Singers Sichtweise durchsetzen, bedeutete das in der Konsequenz, daß das Tabu des Tötens geborenen Lebens gebrochen wäre. Nach diesem Bruch halte ich es für ausgeschlossen, daß es gelingen kann, eine neue gesamtgesellschaftlich akzeptable Schranke aufzubauen. So wird das Lebensrecht von Menschen und die Diskussion darüber, welchen Menschen es nicht zusteht, zum Spielball, zur Verhandlungsmasse in der tagespolitischen Auseinandersetzung. Es besteht die große Gefahr, daß der jeweilige gesellschaftlich-politische Mainstream lebenswertes Leben definiert. Das kann dann eines Tages auch verkalkte Alte und leichter geistig Behinderte treffen. [...] Worin besteht die Gefahr, wenn wir Menschen, die so schwer behindert sind, daß ein bewußtes Leben überhaupt auszuschließen ist, am Leben lassen? Leiden sie dann wirklich so, wie wir denken? Als letztes Argument bleiben dann nur die Finanzen übrig, die die Gesellschaft zur Unterbringung und Pflege solcher Menschen aufbringen muß. Soll das das Kriterium für ein Leben sein? [...] Markus Strobl, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen