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Betr.: "Tötungsverbot und Wert des Lebens", Theodor Ebert zu Kurt Singers Thesen, taz vom 2.10.93

[...] Es trifft vielleicht zu, daß für einen behinderten Menschen, der in seiner engagierten Familie integriert ist, die staatlichen Hilfen beachtlich sind, vor allem, wenn der gutsituierte „Pappi“, des Antragstellens leid, sich den Rollstuhl dann eben selbst kauft. Für den in einer Behindertenwohnform wohnenden oder von seinen 80jährigen Eltern gepflegten Behinderten stellt sich die Sachlage nicht so dar.

Durch allgemein fehlende Informationen des Gesundheitswesens und Zeitmangel bzw. Unkenntnis des Erziehungspersonals/ Eltern werden Leistungen nicht in Anspruch genommen, die dann wegen „mangelnder Inanspruchnahme“ gestrichen werden.

Ein behinderter Mensch, der durch die „Behinderten-Arbeitnehmerausgleichszahlung von Arbeitgebern“ dazu verurteilt ist, in einer Werkstätte für Behinderte für durchschnittliche 200 DM Monatslohn, außerhalb eines Wohnheims zum Beispiel in einer eigenen Wohnung leben soll, wird mit diesem Satz (... sind die staatlichen Hilfen beachtlich) geradezu verhöhnt.

Die von Oliver Tolmein aufgezeichneten Erfahrungen entsprechen leider der Realität. Zwar hält sich die Anmache von deutschen und ausländischen Jugendlichen und von den vor 47ern („Beim Adolf hätte es...“) im aushaltbaren Maße, wenn man aber innerhalb eines Jahres bei ca. 120 Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ca. 70mal mit dem Rollstuhl beim Aus- und Einsteigen in der Türe eingeklemmt wird, obwohl man verbal und technisch den Fahrer informiert hat, dann hat es eine solche Gesellschaft unbedingt nötig, immer wieder auf die Randgruppe der Behinderten aufmerksam gemacht zu werden. Holger Lauerer, Heilerziehungs-

pfleger und Gruppenleiter einer

beh. Beh.Wohnform, Augsburg

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