Besser Haare anzünden als Arten ausrotten. Über das spannendste aller Spiele: Game Over
Wir retten die WeltVonBernhard
Pötter
Da vorn kommen die Elektrozäune. Ich wische hektisch auf dem iPad herum, komme über den ersten und zweiten rüber, werde aber am dritten gegrillt. Game Over.
„Gar nicht so schlecht“, sagt mein Sohn gönnerhaft, ehe er sechsmal so viele Punkte macht wie ich. Aber rausfliegen ist nett. Dann kommt diese coole Musik: „Dumb Ways to die“ singen und swingen lauter niedliche bunte Männchen, die aussehen wie Würstchen und auf die denkbar dümmste Weise zu Tode kommen: „Set fire to your hair, poke a stick at a grizzly bear.“
Und immer, wenn sich eine niedliche kleine Wurst die Haare anzündet, einen Grizzly reizt, abgelaufene Medizin schluckt oder seinen Schniedel ins Piranjabecken hält, ist die Botschaft klar: Leute, denkt nach, ehe ihr euch in Gefahr begebt!
Mit dem Onlinespiel „Dumb Ways to die“, 200 Millionen Downloads, haben die Verkehrsbetriebe von Melbourne den Kunden Sicherheitsdenken eingebimst: „Be safe around trains!“ Wer ist schon so bescheuert: Superkleber schlucken; mit der Gabel im elektrischen Toaster rumstochern; eine Klapperschlange als Haustier halten; vor einem Zug über die Gleise rennen?
Ja, wer würde so etwas machen? Nun, wenn Sie eine Ärztin kennen, die in der Notaufnahme arbeitet, fragen Sie sie mal. Oder Sie betrachten die Politik der UN-Staaten, die dieser Tage im mexikanischen Cancún konferieren, wie der Verlust an Artenvielfalt auf der Welt zu stoppen ist. Da erfahren Sie viel darüber, wie bescheuert man sein kann.
Debattiert wird da, wie der Artenschutz endlich auch für Bauern und Touristen gelten oder welche Rolle die Gentechnik spielen soll. Im Kern aber geht es um die Frage: „Dumb Ways to die“ oder „Smart ways to live“? Denn mit jedem Hektar Regenwald, den wir für unseren Rinderwahnsinn umpflügen, vernichten wir vielleicht das nächste Krebsmedikament. Mit jedem trockenen Feuchtgebiet erhöhen wir die Chance auf Milliardenschäden beim nächsten Regen. Mit jeder verschwundenen Pflanze schwächen wir das Netz des Lebens, das auch uns trägt.
Wir löschen mit Landwirtschaft, Straßenbau und Klimawandel so viele Tiere und Pflanzen aus, als habe ein riesiger Meteorit auf der Erde eingeschlagen. Wir sägen nicht nur an dem Ast, auf dem wir sitzen, sondern wir entwurzeln gleich den ganzen Baum. Das sind echte dumb ways to die. Im Vergleich zu unserer superschlauen Wirtschaftsweise ist es geradezu rational, sich mal aus Spaß die Haare anzuzünden. Und wer weiß, dass „Game“ auch „Jagdwild“ bedeutet, versteht den Computerbildschirm plötzlich auch als Warnung vor einer geplünderten Natur: Game Over.
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