piwik no script img

■ Bernd Rössner wird in die Therapie entlassenEine ängstliche Entscheidung

Bernd Rössner ist frei. Wirklich? Sicher scheint nach der gemeinsamen Entscheidung des Bundespräsidenten und der Bundesjustizministerin zum künftigen Schicksal des kranken RAF-Gefangenen nur eines: Der als Signal gemeinte Beschluß wird von den „Entscheidungsträgern“ auf der einen, dem Betroffenen, seinen Anwälten und Freunden auf der anderen Seite sehr unterschiedlich interpretiert werden. Das ist gefährlich, damit ist für die gerade erst begonnene Entspannung zwischen den staatlichen Stellen und den Langzeitgefangenen der RAF nichts gewonnen.

Das Damoklesschwert erneuter Haft nach der Therapie hängt weiter über dem von siebzehn Jahren Knast gezeichneten Stockholm-Attentäter. Das riecht nach Disziplinierung, nach vorsorglicher Befriedung. Und dies in einer Situation, in der die RAF und die Gefangenen den bewaffneten Kampf für beendet erklärt haben. Was, bitte schön, hat wer unter diesen Umständen von Bernd Rössner zu fürchten, selbst, wenn der nach erfolgreicher Therapie nicht in die SPD eintritt? Diejenigen, die das, was unter dem Namen „Kinkel-Initiative“ zu Jahresbeginn Anlaß für manche Hoffnung gab, von Anfang an skeptisch beurteilten, fühlen sich bestätigt. Mehr war nicht drin, werden dagegen – hinter vorgehaltener Hand – die Krisenmanager in Bonn und bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagen, nachdem die ganze, mühsam ausgehandelte Entlassungsprozedur für Bernd Rössner plötzlich durch den Querschuß des OLG Düsseldorf in Frage gestellt war. Tatsächlich ist die denkbar schlimmste Entwicklung vorerst gebannt. Hätten die Düsseldorfer Richter Rössner für weitere zwei Jahre hinter Gitter gebracht und der Bundespräsident ihn nicht umgehend begnadigt, dann wäre die gesamte Entspannungsinitiative zusammengebrochen – und wahrscheinlich auch Bernd Rössner.

Die Entscheidung des Bundespräsidenten und der Bundesjustizministerin ist voller Ängstlichkeit. Selbst dann, wenn schon heute fest verabredet sein sollte, daß der „letzte Akt“, die Begnadigung, binnen Jahresfrist folgen wird. Es scheint so, als habe die politische Situation den gestrigen Entschluß bestimmt, nicht die des Gefangenen. Die naheliegende Frage: Kann es dem Genesungsprozeß Bernd Rössners förderlich sein, wenn er damit rechnen muß, daß am Ende der Therapie nicht die Freiheit, sondern erneut das Gefängnis steht, war offenbar nicht bestimmend. Aus dem Täter Bernd Rössner ist im Verlauf von siebzehn Jahren Haft längst ein Opfer von Justiz und der Politik geworden. Die Chance, diesen Prozeß endgültig zu beenden, wurde gestern vertan. Gerd Rosenkranz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen