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Bernd Müllender EingelochtWie bei Adels auf der Chaiselongue

Kaum ein Begriff löst einen solchen Igitt-Reflex unter NichtgolferInnen aus wie Etikette. „Achtest du denn auch immer schön auf die Etikette …?“, fragen sie spöttisch. Etikette – das klingt wie 19. Jahrhundert bei Adels auf der Chaiselongue.

Gern mutmaßt man Vorschriften wie diese: „Jeder Golfer hat sich so zu benehmen, dass die große Tradition des Spiels stets würde- und weihevoll geachtet wird. Gehen hat stets gemessen zu erfolgen. Funk­tions­trägern ist Ehrfurcht entgegenzubringen, Männer mit dünkeltiefem Diener, Frauen mit Hofknicks. Bälle und Schläger anderer sind stets zu siezen. Zuwiderhandlungen werden mit Strafschlag auf die nackten Handflächen geahndet …“ So einen Quatsch gibt es natürlich nicht.

Bei Etikette geht es nicht um vorgestriges Feine-Leute-Benehmen und auch nicht um die angebliche Pflicht zum Tragen hässlicher, kleinkarierter Beinkleider. Es geht um Verhaltensregeln, die der Sicherheit und Rücksichtnahme dienen und einem fairen Miteinander.

Man muss zum Beispiel wissen, dass man sich nicht bewegt und schon gar nicht den neuesten schlechten Golferwitz erzählt, während ein anderer schlagen will. Umgekehrt will man ja auch die Konzen­tra­tion finden für den nächsten Hieb oder sanft austarierten Putt. Also steht man am besten schräg dahinter, unsichtbar.

Schräg davor zu stehen ist schon aus Eigenschutz wenig anzuraten. Man sollte zudem andere nicht unnötig warten lassen. Dass man also schnellere Gruppen vorbeilässt. Dass man den Platz schont und sein Golfcart nicht übers Grün schiebt. Dass man im Sandbunker nach dem Schlag alles wieder gerade recht und auf der Wiese herausgeschlagene Grasnaben wieder einsetzt. Dass man anderen beim Suchen des Balls im Gebüsch hilft (aber höchstens drei Minuten, so die Regeln). Dass man nicht erst lange gymnastische Übungen und Konzentrations-Yoga vor jedem Schlag macht. All das ist Golfetikette.

Kleidung? Einzelne Klubs, Zahl abnehmend, verbieten noch immer Jeans auf dem Platz, meinen aber meist nur die klassischen blauen Nietenhosen. Männer müssen, anders als Frauen, Polohemd oder Rollkragen tragen, haben aber, so weit bekannt, sich gegen diese Ungleichbehandlung noch nie vor einem Gericht aufgelehnt. Kariert gibt es selten, höchstens in besonders schriller Farbgebung als ironische Verneigung ans Schottentum.

Indes, kleinkarierte Begegnungen sind auch heute möglich. Auf dem Parkplatz eines feinen niederländischen Golfklubs hatten wir die Taschen aus dem Auto gewuchtet und tauschten Straßen- gegen Golfschuhe. Unvermittelt baute sich eine Dame vor uns auf, stellte sich als stellvertretende Voorzitter van de Etiket Commissie des Klubs vor und erklärte schmallippig, wir möchten bitte nicht ungemäßerweise die Stoßstangen zum Kleiderwechsel nutzen, sondern lieber die neuen Kleedkamers des Klubs. Kleedkamers sind nicht Kleiderkammern, sondern Umkleideräume.

Die Dame hat mit ihrem resoluten Einschreiten ihrem Komitee bestimmt zu großer etikettöser Ehre gereicht. Und wir hatten was zu lachen. Gut aber, dass das alles keine Golfspötter mitbekommen haben.

Aus Golfers ABC der Vorurteile, heute S wie Senioren: „Dieser Rentnersport! Golf ist doch nur was für Frühsenile und Greise.“ Wahr ist: Beim Golf sieht man viele Ältere, weil die mehr Zeit haben und – weil sie schon lange Golf spielen. GolferInnen, das belegen Studien, leben wegen ihres gesunden Tuns (kontrollierte Anstrengung und altersgemäße Bewegung an der frischen Luft) ­signifikant länger als NichtgolferInnen.

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