■ Die anderen: „Berlingske Tidende“ zum Stand der Reformdebatte in Deutschland / „Rzeczpospolita“ und „Lidové noviny“ zum Konflikt im Nordkaukasus / „Haaretz“ zur Forderung nach einer Veröffentlichung der Eichmann-Memoiren
„Berlingske Tidende“ (Kopenhagen) zum Stand der Reformdebatte in Deutschland: Deutschland wirkt mehr und mehr wie ein politischer Koloss auf tönernen Füßen. Offenbar ist es unmöglich, sich politisch mit Reformen der deutschen Wohlfahrtsgesellschaft durchzusetzen. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder hat wohl den Mut, begegnet aber zunehmend Widerstand und Kritik. Das politische Leben in Deutschland scheint mit beiden Beinen fest in dem Sumpf verankert zu sein, der in den letzten Jahren die von allen Experten als notwendig angesehenen großen Strukturreformen verhindert hat.
Die konservative polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ zum Konflikt im Nordkaukasus: Die Ereignisse im Nordkaukasus beweisen, dass Russland die Kontrolle über diese Region verliert. Das ist das Ergebnis nicht nur der fehlerhaften Politik der vergangenen Jahre, sondern auch des völligen Mangels eines Konzepts nach Beendigung des Krieges in Tschetschenien. Währenddessen nähern sich die Parlamentswahlen. Nach Ansicht von General Lebed lässt sich nicht ausschließen, dass die Unruhe im Nordkaukasus Präsident Boris Jelzin zum landesweiten Ausnahmezustand und zur Verschiebung der Wahlen provoziert.
Die konservative tschechische Tageszeitung „Lidové noviny“ zum selben Thema: Recht hatte, wer schon vor Jahren sagte, dass der Zerfall der Sowjetunion das daraus hervorgehende Russland nicht stabilisieren werde. Der Aufstand der islamischen Rebellen in Dagestan beweist dies aufs Neue. Das Tschetschenien-Syndrom glimmt noch: Mit der Beendigung des Krieges wurde das Problem (im Kaukasus) nicht wirklich gelöst. Der jetzige Konflikt ist daher nur ein weiterer Beweis für Russlands Hinfälligkeit. Während die Machtzentrale sich bemüht, die ausländischen Beziehungen unter Kontrolle zu halten, ist sie zur Regierung des Landes unfähig.
Die israelische Zeitung „Haaretz“ zur Forderung nach einer Veröffentlichung der Eichmann-Memoiren: Manche fürchten, dass Eichmanns Memoiren den „Holocaust-Leugnern“ helfen könnten. Dies könnte durchaus passieren, aber wer Holocaust-Dokumente versteckt, könnte den Leugnern sogar einen besseren Dienst erweisen. Die israelische Regierung fordert zu Recht von allen Archiven der Welt, von Banken, Versicherungsgesellschaften und verschiedenen Geheimdiensten, alle Dokumente über den Holocaust der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es wäre inakzeptabel, wenn Israel selbst solche Dokumente verstecken wollte.
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