Berliner Verfassungsschutzbericht: Liebe Linksradikale werden mehr
Laut Verfassungsschutz ist die Zahl der Linksextremisten in der Stadt leicht gestiegen. Dies beruht allerdings auf einer Zuordnung, die umstritten ist.
Die Zahl der Linksextremisten in Berlin ist gestiegen: 2.370 zählt der Verfassungsschutz für das Jahr 2011 – 110 mehr als im Vorjahr. Rund die Hälfte davon wird als gewaltbereit eingeschätzt, die Zahl bleibt mit 1.100 konstant. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht hervor, den Innensenator Frank Henkel (CDU) am Mittwoch offiziell vorstellen will. Der Bericht liegt der taz vor.
Die Rote Hilfe
Dass die Gesamtzahl der Linksextremisten steigt, liegt an „nicht-gewaltbereiten Linksextremisten“, deren Zahl von 860 auf 970 gestiegen sei. Ein Großteil davon (760) wird dem Verein Rote Hilfe zugeordnet, den der Verfassungsschutz als „mit Abstand größte linksextremistische Organisation der Stadt“ bezeichnet. Der Verein unterstützt angeklagte Linke bei Ermittlungen und Prozessen gegen sie durch die Vermittlung von Anwälten oder der Übernahme von Prozesskosten. Dass eine steigende Zahl von Rote-Hilfe-Mitgliedern dafür herhalten muss, dass die Zahl der Linksextremisten in Berlin steigt, kritisiert Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Er fordert ein Ende der Beobachtung des Vereins durch den Verfassungsschutz.
Die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene sei nicht zu unterschätzen, schreibt Henkel im Vorwort zum Bericht. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für einen neuen Linksterrorismus. Die Verfassungsschützer weisen zudem selbst darauf hin, dass ein Täter, der wegen einer „politisch links motivierten Straftat“ belangt werde, nicht unbedingt aus der linken Szene kommen müsse. Brandstiftung an Autos oder Bahnanlagen sei außerdem in der linken Szene „immer weniger vermittelbar“.
Was den Rechtsextremismus angeht, kommt eine vorsichtige Entwarnung: „Die rechtsextreme Szene ist zum Glück in den vergangenen Jahren in unserer Stadt nicht gewachsen“, schreibt Henkel. Laut Verfassungsschutz ist die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten leicht zurückgegangen: von 700 auf 650. Dies lasse sich vor allem aus „Abschottungstendenzen“ der „Autonomen Nationalisten“ und der strukturellen Schwäche der sonstigen „Freien Kräfte“ erklären, heißt es. Die „Autonomen Nationalisten“ hätten „ihre exponierte Stellung innerhalb der rechtsextremistischen Szene Berlins erneut unter Beweis gestellt“.
„Autonome Nationalisten“
In Berlin hat sich die NPD in den vergangenen Jahren immer enger mit diesen rechtsextremen Gruppierungen verbandelt – seit Anfang des Jahres auch in Person des neuen NPD-Landeschefs Sebastian Schmidtke. Die „Autonomen Nationalisten“, die rein äußerlich kaum von Linken zu unterscheiden sind, stemmten den Wahlkampf und stellten auch einen Großteil der Besucher von Wahlkampfveranstaltungen, so der Verfassungsschutz. Im Hinblick auf Kontakte der Terrorzelle NSU fanden die Verfassungsschützer keine Hinweise nach Berlin. In Schöneweide, wo sich mehrere Treffpunkte der rechtsextremen Szene befinden, seien Rechtesextremisten allerdings mit Unterstützungsparolen für die Terrorzelle NSU aufgefallen.
Die rechtsextreme NPD verliert nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Anhänger. Seit 2009 habe sie rund ein Drittel ihrer Mitglieder verloren: 2011 lag die Zahl wie schon 2010 demnach bei rund 250 Mitgliedern.
Im Bereich des Islamismus haben die Verfassungsschützer zahlenmäßg keine besonderen Veränderungen festgestellt. Dem „transnationalen islamistischen Terrorismus“ werden wie im Vorjahr 50 Personen zugeordnet. 2011 wurde keine Ausreise von Dschihadisten ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet beobachtet.
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