Berliner Tagebuch: Die Lachsperren
■ Berlin vor der Befreiung: 12. April 1945
Foto: J. Chaldej/Voller Ernst
Nun bin ich also zu Hause. Es war doch das einzig Richtige, daß ich gefahren bin. Jetzt stehen die Amerikaner in Thüringen schon westlich von Erfurt.
Die Fahrt war furchtbar, nach 20 Stunden kam ich um 1/21 h in der Nacht hier an. Die Züge waren überfüllt mit Flüchtlingen aus Thüringen, die haben furchtbare Sachen erzählt. In solcher Zeit sollen die Familien, wenn es geht, zusammenkommen. Leider ist Vati nicht bei uns, er ist als Soldat beim Schützengrabenbauen in Riesa.
Hier ist der ganze Wald durchzogen mit Laufgräben und Panzerlöchern. Alles ist abgeholzt, alle Straßen haben Panzersperren, man kann kaum durch. Die Leute nennen sie Lachsperren. Die russischen Panzer werden bei der Einnahme Berlins 2 Stunden davorstehen und sich vor Lachen den Bauch halten, und sie dann innerhalb von 2 Min. überfahren.
Überhaupt muß man sich wundern, wie offen und offensiv die Leute hier alle ihre Meinung sagen, und die ist größtenteils gegen die Nazis. Keiner hat mehr Angst beim Reden, trotz der Knute der Gestapo. Es wagt nämlich keiner mehr, den anderen anzuzeigen, weil sie denken, dafür später von den Amerikanern oder Russen aufgehängt zu werden. Lieselotte G.
Lieselotte G., zitiert nach I. Hammer/S. zur Nieden (Hrsg.), Sehr selten habe ich geweint, Schweizer Verlagshaus, 1992
Lieselotte G. (Jg. 1928), stammte aus Friedrichshagen, wo sie auch das Ende des Krieges erlebte.
Recherche: Jürgen Karwelat
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