Berliner Szenen: Im Bett mit Edward
Fucking Nazis
Vor ein paar Monaten habe ich auf einer Party einen Israeli, der in Berlin Urlaub machte, aufgerissen. Da ich seinen hebräischen Namen nicht verstand, erklärte er mir, er hieße Edward. Ich fand ihn vertrauenswürdig und so landeten wir irgendwann gegen Morgen in seiner Wohnung.
Dort knutschten wir unglaublich viel und verbrachten fast den gesamten Tag im Bett. Es war super, bis zu dem Punkt, als wir anfingen, uns zu unterhalten.
Wir redeten über Politik, weil ich ihm erzählte, dass ich jetzt eigentlich mit ein paar Freund_innen zu den Blockaden gegen einen Naziaufmarsch verabredet sei.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil es ein kalter, verregneter Herbsttag war und meine Freund_innen sich heftig einen abfrieren und von Bullen verprügelt werden würden, während ich mir im warmen Bett den Mund wund knutschte.
Edward erklärte mir, dass es dumm sei, einen Naziaufmarsch zu blockieren, weil man damit nur Chaos stifte und den Verkehr behindere. Er wollte mir auch nicht glauben, dass es in Deutschland noch richtige Nazis, beziehungsweise Neonazis, gebe. Wir diskutierten über Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland und Europa.
Nach einer langen Diskussion schien er mir zu glauben, dass es in Deutschland immer noch Nazis gibt. Er bemühte sich daraufhin, mein Gewissen zu beruhigen, indem er mir sagte, dass ich doch schon etwas gegen die Nazis tun würde, da ich gerade mit einem Juden im Bett war.
Ich versuchte mir einzureden, dass das politisch sei, was ich hier machte, kam mir dabei aber ziemlich bescheuert vor. Da ich noch kein bisschen geschlafen hatte, wusste ich jedoch, dass das Beste, was ich jetzt tun konnte, war, hier in diesem Bett zu bleiben und weiter zu knutschen. Uta Chotjewitz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen