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Berliner SzenenS7 Richtung Ahrensfelde

Der Verdacht

„Mein Freund betrügt mich, glaub ich. Ich hab da son Verdacht“

Es ist spät, es sind nur wenige Fahrgäste in der S7 Richtung Ahrensfelde unterwegs. Neben mir im Vierer schnarcht ein Mann auf seinen Rucksack gelehnt, seine nach unten hängende Hand umklammert ein Bier. Ihm gegenüber sitzt eine Frau mit dunklen Locken, vielleicht Ende zwanzig. Sie trägt eine knallrote Hose, ein schwarzes Top und telefoniert laut: „Sag ehrlich, was willst du denn in Köln, Schatzi? Das ist voll spießig da im Ruhrgebiet. Komm lieber zu mir nach Berlin“, sagt sie und zündet sich eine Zigarette an. Der Rauch zieht zu mir rüber.

Ich überlege gerade, ob ich mich mit einem vielsagenden Blick auf ihre Zigarette und der Erklärung, dass man sowohl im Rheinland als auch im Ruhrgebiet großen Wert auf die korrekte Bezeichnung lege, spießig ins nächste Abteil setze, da spricht sie mich an: „Die Bahn fährt doch zum Alex, oder?“ – dann wieder ins Telefon: „Scheiße, Schatzi, ich glaub, ich bin falsch, ich leg kurz auf.“ Sie drückt auf ihrem Smartphone rum und schaut mich fragend an. „Äh, jaja. Die Bahn fährt zum Alexanderplatz“, sage ich. „Gut“, seufzt sie. Kurze Pause. „Ist alles grad alles scheiße irgendwie. Mein Freund betrügt mich, glaub ich. Ich hab da son Verdacht.“ Ich schaue sie überrascht an, doch sie wartet nicht auf eine Antwort: „Aber ich lass mir das nicht einfach gefallen, weißte?“ Sie zupft an ihrem bauchfreien Top herum. „Das ist gut“, sage ich. „Äh, und blöd natürlich, also von deinem Freund“, füge ich hinzu.

Das rote Smartphone in den Händen meiner Gesprächspartnerin vibriert. In der einen Hand hält sie die glimmende Zigarette, mit der anderen drückt sie auf dem Bildschirm rum. Sie nimmt das Handy ans Ohr: „Hi, ja, bin doch richtig. Steige gleich aus.“ Dann dreht sie sich zum Fenster und mir grußlos wieder den Rücken zu. Gegen Schatzi kann ich nicht konkurrieren. Linda Gerner

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