Berliner Szenen: Bonnie & Buttermilk
Körpergate
Ich wollte mir ein leichtes Sommerkleid kaufen. Ich musste eine Weile suchen, aber schließlich fand ich es bei „Bonnie & Buttermilk“, einem Laden in der Kollwitzstraße, in dem Probiermodelle hängen, die nachgeschneidert werden. Ich verliebte mich ein fließendes Viscoseteil mit blauen Blumen, probierte das Musterkleid an und bestellte eins in Größe 38. Ich zahlte mit Vorkasse, so wie der Laden das verlangte. Ich war glücklich.
Später aber, als ich das Kleid abholte, traf mich der Schlag: Das Kleid war untenrum viel zu eng, obenrum zu weit und beulte an Stellen, an denen Frauen auf keinen Fall Beulen haben wollen.
„Ich will das Kleid nicht“, sagte ich zur herbeigeeilten Chefin, „ich will mein Geld zurück.“ „Geht nicht“, sagte die, „bestellt ist bestellt.“ – „Wieso hängen Sie das Kleid nicht hier in den Laden?“, sagte ich. „Größe 38 passt vielen Frauen. Vielleicht steht es ja einer anderen besser.“
Die Chefin musterte mich über ihre Nerdbrille hinweg von oben bis unten und sagte: „Standardgröße ist hier 36.“ Ah, verstehe, ein Label für Magersüchtige. Und ja, klar, ich bin schlichtweg zu fett für diesen Super-duper-Szeneladen. Nun muss man wissen, dass ich 1,66 Meter groß bin und 56 Kilo wiege. Hier bahnte sich ein Körpergate an.
Andererseits könnte man sagen: Selbst schuld, was kaufst du ein Kleid, das du vorher nicht anprobieren kannst. Und wenn ein Laden Vorkasse verlangt, sollte man ohnehin stutzig sein.
Ja, so kann man das sehen. Ich habe aber anders gedacht: netter kleiner Laden, schön bunt und fröhlich. Hier arbeiten nur Frauen, die wirtschaftlich etwas wagen. Die kann man unterstützen. Das geht vielleicht in einer anderen Ecke von Berlin. In Prenzlauer Berg hingegen gentrifizieren sich mittlerweile sogar die Frauen selbst.
Simone Schmollack
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen