Berliner Szenen: Abschiedssignale
Das Sofa am Eingang
Stimmt, hier war ich schon mal. Die Nachbarhöfe zu den Hackeschen, die schäbige, unsanierte Version gleich nebenan, neben dem Cinema Café, Durchgang zum Eschloraque und dem Kino Central, Berlin-Mitte, wie es schon in den neunziger Jahren mit romantischer Patina behaftet war.
Ich habe hier schon gesessen, als ich noch neu in der Stadt war und die neuen, jungen Ostberliner Dichter kennenlernen sollte. Ich saß später einmal hier mit einer Kurzfreundin und dem mir noch völlig unbekannten Fernsehhampel, der wie ein zu groß geratener Klavierspieler aussah und mächtig stolz war auf die Gesundheitssendung, die er im Nachmittagsprogramm moderierte und die ich nie gesehen hatte. Ich glaube, da war er ein wenig beleidigt.
Im Café selbst habe ich mit anderen über Übernachtungsmodi verhandelt, auf dem roten Sofa neben dem Eingang habe ich eine bestimmte Frau zum ersten Mal geküsst, ohne Zunge, ohne Zukunft. Und jetzt saß ich also wieder hier mit einer hellblonden Bekanntschaft, zum ersten Mal seit ewig, und sie redete fahrig und schnell, und ich musste mich anstrengen zuzuhören, weil die Finninnen oder Schwedinnen – oder Gott weiß, woher sie kamen – am Nebentisch so laut redeten, und mir war kalt und ich wartete im Grunde nur auf das Abschiedssignal, von dem ich wusste, dass meine Abendbekanntschaft es bald aussenden würde, und gleichzeitig wunderte ich mich darüber. Also über diese hier platzierte Vergangenheit einerseits und die aktuelle Konstellation von Vergeblichkeit andererseits. Früher hatte es immer Alternativen gegeben, vielleicht gab es aber auch heute noch Alternativen. Vielleicht war das aber auch Quatsch, und es lag an diesem Ort, der schon so mächtig durch ist und verloren an die Touristen.
Das Signal kam, wir gingen.
René Hamann
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