Berliner Szenen: Münte im Bus
Die Röte des Rots
Irgendwas war anders: ein frühlingshafter, ungewöhnlich friedfertiger Kreuzberger Wochentagsmorgen, die Straße frei von Hundehaufen. Auch der M29er kam ohne jede Wartezeit angefahren und dann stieg auch noch Franz Müntefering in den Bus mit ein. Musste es unbedingt das Oberdeck sein?
Ein bisschen ist die Welt doch noch in Ordnung: Der Martin-Schulz-Effekt spielte offenbar gar keine Rolle, Münte musste keine Hände schütteln, niemand nahm Notiz von ihm. Er vergrub sich in seinen Sitz und begann ein Buch zu lesen.
Dann bimmelte auch gleich ein Handy in der Sitzreihe hinter mir. „Hallo? Ja, ich bin’s. Was ist passiert? Oh Gott! Musst du ins Krankenhaus?“ Es schien sich um einen Haushaltsunfall zu handeln. Jedenfalls ging es um eine Schnittwunde.
Meine Gedanken schweiften ab: Ich erstellte eine Top drei meiner Schnitt- und Küchenunfälle. 1. Chilischoten zerbröselt und danach aus Unachtsamkeit mit den Fingern die müden Augen gerieben. So ungefähr muss sich Purgatorium anfühlen. 2. Beim Rasieren eine Kinnpartie weggesäbelt. Die Wunde suppte stundenlang. Mit Klopapier am Kinn zur Apotheke, wo eine Salbe den Blutverlust stoppte. 3. Beim Knoblauchschneiden in den Finger gehackt, die Wunde war nicht so tief, aber der Finger roch noch lange danach wie Knoblauch. Na ja, okay, bestenfalls der dritte Platz.
„Geh besser in die chirurgische Ambulanz!“, riet der Mann hinter mir. Er blieb ruhig, sein Rat war richtig, bestimmt angemessen. Vielleicht hörte die Wunde aber auch schon durch das Telefonat zu bluten auf. Welche Blutgruppe wohl Franz Müntefering hat? Schwerblütiger Rhesus? Oder eher eine blasse Duffy-Blutgruppe? Oder ist er gar Blutgruppe null? Blutgruppe-null-Typen gelten ja als Individualisten. Das sind die, die im Flugzeug immer Tomatensaft bestellen. Julian Weber
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