Berliner Szenen: Friseurbesuch
„B!“
Ich gebe es zu: Zum Friseur bin ich nie gern gegangen. Das fing schon an, als ich ein kleiner Junge war. Welch furchtbare Routine in der Grundschule herrschte! Da wurde jeder von den anderen erbarmungslos mit Hohn und Spott übergossen, wenn er mit Mecki-Schnitt oder anderen seltsamen Formen auf dem Haupt in der Klasse erschien.
Mit schwindender Haarpracht löste sich die Nervosität vor dem Friseurbesuch. Inzwischen brauchen die Damen und Herren im Salon nur noch die Maschine anzusetzen, um das Resthaar auf vernünftige neun Millimeter Länge zu stutzen. Das dauert in der Regel drei Minuten und kostet bei der Friseurin in Lichterfelde-West 8 Euro. Warten muss ich in der Regel nicht.
So richtig Spaß machte es allerdings beim letzten Mal: Die Chefin, eine sehr blonde Meisterin türkischer Abstammung, färbte einer Kundin die Haare. Schon als ich durch die Tür kam, strahlten die beiden Damen wie nach einem Lottogewinn. Das Amüsement erreichte immer neue Höhen, zuweilen kicherten sie wie zwei Zwölfjährige, denen gerade George Clooney zugezwinkert hatte. Die Kundin schickte der Friseurin schließlich ein Video aufs Handy. „Warten Sie noch, das müssen Sie sehen“, rief die Meisterin mir zu, als ich zur Kasse ging. Sie hielt mir ihr Gerät vor die Augen und krümmte sich vor Lachen. Ein dröge aussehender Herr im karierten Hemd war da zu sehen, der mit einer Multiple-Choice-Aufgabe gefragt wurde: „Mit wem würden Sie am liebsten das Wochenende verbringen? A: „Mit Ihrer Frau …?“ Sofort brüllte der Mann los: „B!“ Zweifellos: Das war witzig. In einer Kicherpause gluckste die Friseurin: „Ist ja vielleicht ein bisschen ungerecht“, um dann erneut loszuprusten. Ich bezahlte und verließ den Salon. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich nach einem Friseurbesuch gut gelaunt. Andreas Lorenz
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