Berliner Szenen: In der Bar
Reviermarkierung!
Freitagabend. Ich habe nichts vor und mache es mir unter der neuen Leselampe auf dem Sofa gemütlich: Wie schön dieses Buch ist! Es ist „Der große Gatsby“ (neulich ist mir eine Frau auf der Straße begegnet, die ihren Hund so genannt hat, also Gatsby, aber das ist eine andere Geschichte). Warum lese ich das erst jetzt? Was hat mir so lange den Zugang zu dieser feinen amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts versperrt?
Eine SMS kommt, sie ist von B.: Wie noch mal die Band hieß, die wir damals immer gemeinsam gehört haben? Red House Painters. Dabei habe ich die vorwiegend allein gehört, aus Liebeskummer. Wegen B.
Wir verabreden uns für später in einer Bar. B. schreibt, sie bringe eine Freundin mit. Auf dem Weg denke ich noch: nicht wieder den üblichen Fehler machen und die unbekannte Freundin plötzlich wieder attraktiver finden als die eigentliche Zielperson! Und ganz genauso kam es auch.
In der Bar, irgendwo in einer der Seitenstraßen Neuköllns, ist es laut und verraucht, und aus den kleinen Boxen läuft alter Swing. „Als ob gleich Charlie Chaplin durch den Raum tanzt“, meint B. „Wie Dschungelbuch in schneller“, sagt ihre Freundin.
Einer Frau, die ich flüchtig kenne, steht ihre neue Frisur; ihre Haare sind etwas länger als vorher, als sie einen Kurzhaarschnitt trug. Ihr Lover hält neben ihr die Stellung, traut sich aber nur einmal, sie anzufassen. Mir wirft er einen langen, prüfenden Blick zu. Bin ich jetzt doch berühmt oder habe ich was im Gesicht oder was will er? Dann begreife ich: Reviermarkierung! Interessant. Mache ich das auch so?
B. und V. schütteln die Köpfe. Vielleicht fühlen sie sich auch nicht angesprochen. Sie trinken Sekt Aperol und wackeln mit ihren Schuhen müde zur Musik. B. gibt sich uninteressiert, V. hat zu Hause einen Freund. Aber so läuft das immer. René Hamann
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