Berliner Szenen: Nach dem Kino
Eis am Stiel
Ich hatte mir in meinem Lieblingskino, dem International in der Karl-Marx-Allee, den Film „Toni Erdmann“ angeschaut. Obwohl er 160 Minuten dauert, hätte ich gern noch weiter dabei zugeschaut, wie der Vater auf so unglaublich rührend-absurd-lustig-schlaue Art versucht, seiner Tochter das Leben nahezubringen. Sehr gerührt und auch etwas melancholisch, was aber nicht schlimm war, fuhr ich nach dem Abspann mit dem Rad nach Hause. Dort zappte ich vor dem Schlafengehen noch durchs Fernsehprogramm. Das war ein Fehler.
Wenn man sich nach einem Film wie „Toni Erdmann“ plötzlich in einer Folge der Softporno-Reihe „Eis am Stiel“ wiederfindet, ist das verdammt hart. Statt die Kiste einfach auszuschalten und von zotteligen Folklorekostümen, Furzkissen und Schildkröten zu träumen, schaute ich mir an, wie pubertär-alberne Mädchen und Jungs am Strand rummachten und sich in Mund-zu-Mund-Beatmung übten.
Um ein Haar wäre ich vor langer Zeit selbst einmal als Darstellerin in einem „Eis am Stiel“-Film gelandet. Genauer gesagt, hatte ich mich einmal um eine Rolle beworben. Einige Monate nach dem Mauerfall (die Welt lag mir zu Füßen) hatte ich auf eine Annonce geantwortet, in der Darstellerinnen für eine Filmreihe gesucht wurden, die mir als Ost-Maus damals so gar nichts sagte.
Unwissend, aber frohen Mutes, ging ich zu dem Vorstellungsgespräch in eine Agentur am Kurfürstendamm. Für ein Foto sollte ich alle meine Sachen, bis auf den Schlüpfer, ausziehen. Weil ich mich nicht traute zu sagen, dass ich so was nicht mache, entstand dieses Polaroid-Foto, von dem ich nicht weiß, was daraus wurde. Nach zehn Minuten „Eis am Stiel“ im Fernsehen hatte ich genug und machte die Kiste aus. Zum Lesen im Bett aß ich, was ich auch sonst gern mache, ein Eis am Stiel. Barbara Bollwahn
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