Berliner Szenen: Im Wedding
AfD auch zu was gut
Das Kind hat Ferien und verbringt die Tage zwischen zwei Feriencamps zu Hause. Er tut nicht viel. Er spielt Handy. Oder Fußball. Um dann erschöpft „Drei-???“-CDs zu hören. Abends komme ich müde nach Hause. Das ausgeruhte Kind winkt aus der Sofaecke. „Nach dem Abendbrot könnten wir Pokémon Go spielen! Ich hab Papa überredet, dass er sein Handy hierlässt.“
Also gut. Besser ein Spaziergang durch die laue Sommerluft, als zu Hause zu sitzen. Im Park grasen wir ein paar PokéStopps ab, und dann taucht eine Arena im Display auf. Die liegt im Wedding und damit im Nachbarbezirk. Das merkt man zurzeit besonders an den Wahlplakaten.
„Warum hängt hier was von der CDU und bei uns nicht? Wollen die in Pankow nicht gewählt werden? Meinen die, Araber wählen AfD, oder warum haben die hier so viele Plakate? Und warum heißt eigentlich keine Partei ‚die Rechte‘? Weil die sich dann gleich ‚Nazis‘ nennen könnten?“ Pokémon-Kämpfe werden Nebensache. Wir sind jetzt im Wahlkampf.
„Bürgermeister von Mitte? Hat jeder Stadtteil seinen eigenen? Und dann noch einer für ganz Berlin? Da könnte man doch Geld sparen und die Schulen dafür sanieren.“ So geht das ohne Pause.
„Für mehr Polizei und Videoüberwachung! Guck mal, wofür die CDU Komisches ist.“ Ich versuche zu erklären, was es mit dem Stellenabbau bei der Polizei auf sich hat und was die gefühlte Sicherheit ist. Und dass die CDU Angst hat, Wähler an die AfD zu verlieren. „Da ist die AfD doch endlich auch mal zu was gut!“ Ich sehe das Kind verwirrt an. „Wozu soll die AfD gut sein?“ „Naja, die haben die CDU darauf gebracht, dass die Leute mehr Sicherheit und mehr Polizei wollen. Da wäre die CDU von alleine bestimmt nicht drauf gekommen, sonst hätten die das ja schon längst machen können.“ Gaby Coldewey
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