Berliner Szenen: Elektro-Menzel ist weg
Stehlampe
Ich hatte es immer wieder verschoben, die Stehlampe mit den weißen Kugelleuchten aus den siebziger Jahren, deren Elektrik vor längerer Zeit den Geist aufgegeben hat, zu Elektro-Menzel zu bringen. Dabei hat der Betrieb seit Ewigkeiten sein Geschäft bei mir um die Ecke, unweit vom Boxhagener Platz. Das Familienunternehmen gibt es seit 1945, und ich dachte immer, Elektro-Menzel läuft schon nicht weg.
Als ich mich neulich endlich auf den Weg machte, musste ich feststellen, dass Elektro-Menzel doch weggelaufen ist. Schon vor zwei Jahren war der Laden nach Prenzlauer Berg gezogen. An einem Samstag fuhr ich mit meiner alten Lampe in das neue Geschäft. „Elektro-Menzel“, also der Inhaber, ein korpulenter und kundiger Mann, inspizierte und erklärte den Stecker, aus dem Kabel rausschauten, den kaputten Fußschalter und die desolaten Lampenfassungen. Da kam ich mir wie erleuchtet vor. Das änderte sich aber unversehens, als ich den Kostenvoranschlag vernahm. Etwa 120 Euro. Oha. Doch schnell änderte ich meine Meinung. Dafür würde ich keine neue Lampe finden, die mir auch nur annähernd so gefallen würde wie die alte. Elektro-Menzel ruft mich an, wenn sie fertig ist.
Beschwingt lief ich die Schönhauser Allee entlang, und als ich an einem Secondhandladen vorbeikam, ging ich rein. Nach wenigen Minuten hatte ich ein wunderschönes Kleidungsstück gefunden: einen so gut wie ungetragenen grünen Morgenmantel mit blau-violett-weißen Blüten aus dem VEB Modische Wirkwaren Mühlau. Ich probierte die entzückende Farbenpracht an und wusste sofort, das wird mein neuer Frühlingsmantel, den ich draußen auf der Straße spazieren führen werde. Er ist außerdem die absolut passende Robe, um in einigen Wochen die Stehlampe abzuholen, die etwa aus der gleichen Zeit stammt. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen