piwik no script img

Berliner SzenenÜber Dorf und Welt

Qué sorpesa

Ich gab ihm die ­Telefonnummer der Strohschuhmacherin

Ich freu mich immer, wenn sich der Wahrheitsgehalt alter Sprüche bestätigt. „Die Welt ist ein Dorf“ ist so einer. Neulich saß ich im Zug aus Freiburg nach Berlin, nachdem ich zwei Wochen im Hochschwarzwald war, um Geschichten für das Tourismusbüro zu recherchieren. Viele, viele Fichten und Tannen und nicht so viele Menschen.

Neben mir im Zug von Freiburg in die 3,5-Millionen-Stadt Berlin saß eine Frau mit argentinischen Wurzeln und ihre zwei Mädchen, etwa zwei und acht Jahre, mit denen sie Spanisch sprach. Wir wechselten einige Sätze in ihrer Muttersprache, bevor ich mit dem Herrn, der mir gegenübersaß, einem pensionierten Elektriker, der regelmäßig nach Lörrach fährt, auch ins Gespräch kam. Als klar war, dass wir die gleiche Leidenschaft für den Schwarzwald hegen, holte ich die handgefertigten Strohschuhe aus dem Koffer, die ich vor einigen Jahren bei einer Schwarzwälderin gekauft hatte und die ich auf Reisen oft mitnehme.

„Solche Hausschuhe will ich auch“, sagte der Mann. Ich gab ihm die Telefonnummer der Strohschuhmacherin.

Die Argentinierin neben uns unterhielt sich indes mit einer Frau, die sich zu ihr gesetzt hatte, über ein indigenes Volk irgendwo im Dschungel.

Am Tag nach meiner Rückkehr aus dem Schwarzwald kam ich vom Einkaufen nach Hause. Wenige Meter neben meinem Hauseingang traf ich auf die Argentinierin aus dem Zug mit ihren zwei Töchtern. „Che!“, rief ich erstaunt. „Qué sorpesa!“, rief sie überrascht zurück. Ich fragte, ob sie etwa auch in Friedrichshain wohne. Sie zeigte auf das Haus auf der anderen Straßenseite. Wir lachten. Da muss man erst Zug fahren, um zu wissen, wer in der Nachbarschaft wohnt. Im Spanischen ist die Welt übrigens nicht nur ein Dorf, da ist sie nur ein Taschentuch.

Barbara Bollwahn

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen