Berliner Szenen: Das 10.000-Euro-Auto
Hoffnung für Berater
Mein Bankberater will mich sehen. Ich halte das für keine gute Idee, aber er sieht das anders. Gleich schriftlich fordert er mich auf: Anrufen soll ich, ’nen Termin ausmachen mit ihm, sofort. Thema: mein Dispokredit.
Oh je, denke ich und greife zum Hörer. „Ich ruf an, weil … ja, weil … weil Sie haben mir geschrieben.“„Aha“, sagt der Herr am anderen Ende. Ich hör ihn rumklicken auf seinem Computer. „Ihr Dispokredit“, sagt er dann. „Weiß ich.“ Ich seufze. „Und jetzt?“ „Und jetzt brauchen Sie einen Termin, in Ihrer Filiale.“ Er tippt wieder rum. „Diesen Freitag ist da was frei. Passt Ihnen das?“ „Bisschen schnell“, sage ich, aber dann atme ich einmal tief durch und sag tapfer: „Ja.“
Am Freitag dann stehe ich da in meiner Filiale, und während ich auf meinen Termin warte, muss ich ’nen Zettel ausfüllen. Immobilienwunsch? Klar doch, kreuz ich an. Altersvorsorge? Wär super, schreibe ich. Traumurlaub? Als ich grad auch noch das 10.000-Euro-Auto ankreuze, obwohl ich keinen Führerschein habe, kommt mein Berater.
„Kaffee?“, fragt er, so freundlich, dass ich mich wundere. Aber als er dann nachschiebt: „Was kann ich für Sie tun?“, ist alles klar. Keine Ahnung hat er, warum ich hier bin. Kurz überlege ich, ihm zu erzählen, mein Immobilienwunsch sei plötzlich ganz dringend geworden, aber dann rücke ich doch damit raus. „Mein Dispo. Ich sollte ’nen Termin machen deswegen.“
„Ach“, sagt er und guckt ganz enttäuscht, und ich fühl mich voll schuldig auf einmal. Der Arme, denke ich, null verdient er an mir. Er braucht etwas Hoffnung. Ich überlege, und dann hab ich’s. „Erst Dispo“, sage ich und tipp auf den Zettel, den mit den vielen Kreuzen, ohne hinzusehen, „dann das.“ Ich sehe seine Augen leuchten und schaue nach unten: Das 10.000-Euro-Auto hab ich gewählt. „Genau!“, bekräftige ich. „Ich komme wieder zu Ihnen, wenn’s so weit ist. Versprochen!“ Joey Juschka
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