Berliner Szenen: Abstriche machen
Zum TÜV bei Doktor Hirschfeld - der Frauenärztin, deren Humor jeden Tränenfluss trockenlegt.
B eim Frauenarzt. Routineuntersuchung. "Einmal TÜV, ja?", fragt Frau Doktor Hirschfeld. Ich liebe diese Frau. Sie hat einen Humor, der jeden Tränenfluss trockenlegt. Vermutlich ist das normal bei alten Ärzten. Die haben so viel Mist gesehen. Ein Freund von mir hatte Krebs und muss regelmäßig zur Nachsorge. Sein Onkologe hätte Komiker werden sollen, sagt er.
Frau Doktor Hirschfeld hat Haare bis zum Arsch und trägt ihre rabenschwarze Mähne stets als beeindruckenden Knoten über den Kopf getürmt. Unter den Füßen hat sie meterhohe Pfennigabsätze. Frau Doktor Hirschfeld ist mehrfache Großmutter und geht auf die Siebzig zu. Aber sie hat wirklich Ahnung von ihrem Beruf. Sie macht ihn ja auch schon immer. Und wenn sie durch die Praxis stöckelt und "Schwester!" flötet, dann wippt der Haarknoten auf ihrem Kopf wie ein Wackeldackel. Ich glaube, ohne Haare und Schuhe ist sie höchstens einsfünfzig groß.
"Neulich hatte ick mir die Haare gewaschen", erzählt Frau Hirschfeld, während sie mir zwischen den Beinen rumfuhrwerkt, "und denn ereilte mich der Ruf der Natur. Ziemlich dringend. Ick also ruff uffs Klo. Zack! Fällt ma dit Handtuch runter. Konnt ick die Haare gleich nochma waschen. Nich lachen!", mahnt Frau Doktor Hirschfeld, "schön seriös bleiben. Sonst krampft dit hier allet zu und ick seh überhaupt nischt mehr." Danach noch mal Ultraschall. Und weil sie heute unterbesetzt sind, ruft Frau Hirschfeld den Befund der Empfangsschwester zu, einmal quer durch die Praxis, von keiner Patientin zu überhören. Zum Schluss schüttelt sie mir mütterlich die Hand und sagt: "Sie wohnen ja gleich nebenan, Frau Streisand. Wenn bei dem Abstrich was Doofes rauskommt, dann ruf ick's Ihnen einfach ausm Fenster zu, wenn ick Sie auf der Straße sehe." Ich bin nur froh, dass ich die Witze der Pathologen nicht höre, die mich mal auseinandersägen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu