Berliner Platten : Um es für Alec Empire mal mit Alphaville zu sagen: Here’s my comeback on the road again, Things will happen while they can… It’s easy when you’re big in Japan
Wer wissen wollte, wie golden der Himmel schmeckt, der musste in Japan in einen Plattenladen gehen. Denn dort ist „The Golden Foretaste of Heaven“ bereits seit November zu haben. Was zweierlei illustriert: Alec Empire ist im Fernen Osten ein ungleich größerer Star als in seiner deutschen Heimat, wo sein neues Album erst jetzt erscheint. Und offensichtlich hat der Japaner eine Schwäche für deutsche Lärmwerker, denn dem durchschnittlichen Konsumenten hierzulande war seine Musik bislang eher ein Vorgeschmack auf die Hölle.
Dieses Image speist sich vornehmlich aus Empires Zeiten als Vorsteher von Atari Teenage Riot. Die schlugen die Brücke zwischen Techno und Punk, Industrial und Metal, demolierten dabei manches Gehör und fanden so viele Freunde in der weiten Welt, dass Empire 1994 seinem Heimatland den Rücken kehrte, um von London aus Karriere zu machen. Was dem selbst ernannten Synthie-Guerillero auch ziemlich gut gelang. Trotzdem löste Empire die Band 2000 auf, entdeckte Gitarre und Rockmusik. 2006 kehrte er zurück, in die Stadt, in der er als Alexander Wilke vor 35 Jahren geboren wurde.
Der in Frohnau aufgewachsene Selbstdarsteller legt den musikalischen Terrorismus von einst zu den Akten, aber wiederbelebt mit „The Golden Foretaste of Heaven“ seine elektronischen Wurzeln. Geschrien wird nicht mehr, und die ganz gemeinen Metal-Riffs hat er sich auch verboten. Stattdessen erinnert bereits der Eröffnungssong „New Man“, so meint Empire selbst, an David Bowie, und durch „1000 Eyes“ schabt sich zwar eine fiese, hinterlistige E-Gitarre, aber grundsätzlich imitiert Empire in dieser Ballade mit Lou Reed einen weiteren Teilzeit-Berliner. Dafür bollert „On Fire“ wieder wie ein Elefant im Porzellanladen und zum stumpfen „Death Trap in 3D“ lässt sich prima headbangen.
Das klingt zwar – die Zeiten haben sich verändert – kaum noch aufrührerisch, doch bisweilen überwältigend und meist ziemlich großartig, aber Empires größtes Manko bleibt weiterhin das alte. Der stets gefragte Remixer ist sicherlich ein hochbegabter Klangkonstrukteur, aber als Songschreiber keine Größe. Früher fiel das nicht so sehr auf, weil sich das Konzept von Atari Teenage Riot auf den ausgiebigen Gebrauch von ebenso griffigen wie simplen Slogans stützte („Deutschland Has Gotta Die“), die gelungen mit der plakativen Umsetzung korrespondierten.
Nun aber sind ihm, lässt er verlauten, passend zur musikalischen Besinnung, die Texte „sehr wichtig“ geworden und „auf den Punkt geschrieben“. Tatsächlich haben dem Schulenglisch die zwölf Jahre in London gut getan, aber manches Lied taumelt auf der Suche nach einer vermittelnden Melodie-Idee durch oft zu offene Strukturen. Oder anders gesagt: Um den Appeal von wirklichem Pop zu entwickeln, lässt sich Empire nicht überzeugt genug auf dessen Klischees ein. Aber um andererseits weiter als radikaler Avantgardist zu gelten, ist seine Musik längst nicht mehr anarchistisch genug. „The Golden Foretaste of Heaven“ hängt zwischen den Stühlen. Aber auf so was sitzt man in Japan ja so gut wie gar nicht. THOMAS WINKLER
Alec Empire: „The Golden Foretaste of Heaven“ (Eat Your Heart Out/Rough Trade) 17. 1. Tresor/3. 2. Festsaal Kreuzberg