Berliner Platten : Souveränes Sichten und Schichten: Guido Möbius gönnt dabei der Minimal Music den Auslauf zum Pop, und Go:Gol fragt nach dem ganzen Sinn des Songs
An der Haustür entscheidet sich oft schon alles, bei einem Besuch. Die erste Kontaktaufnahme, noch die Klinke in der Hand, ein freundliches Lächeln oder steife Höflichkeit … das Erste, was man auf dem neuen Album von Guido Möbius hört, ist das Klimpern einer Mbira, dieses afrikanische Daumenklavier, und das sind gleich mal good vibrations, da kommt man gerne rein in „Dishoek“. „Klisten“ ist das Auftaktstück betitelt, wie auch schon Möbius’ Vorgängeralbum hieß, und so wird der Ball immer weiter gespielt, und Ketten werden gebildet, dass man überhaupt nicht entscheiden möchte, ob nun „Klisten“ oder „Dishoek“ das bessere Album ist (am besten, man nimmt sie beide, stereo), und es findet sich gleichfalls kein Bruch zwischen den beiden.
Wieder darf man sich an neun freundlichen Untersuchungen von Minimal Music freuen, mit taumelnden Melodien und den Loops in ihrer motorischen Unwucht, den schwirrenden Sounds und dem Klingeln, das alles von Guido Möbius mit einer stillen Souveränität so geschichtet und geordnet wurde, dass das immer rundum richtig klingt. Das sind dann verhalten majestätische, kleine Hymnen der Musik. Elektronik. Akustisches. Tradition. Pop. Song. Gelassenheit. Leidenschaft. Geräusch. Schönheit. Anstrengung. Ruhe. Stille. So viel steckt in den Kompositionen drin auf diesem Album, „Dishoek“, was der Name eines niederländischen Nordseestädtchen ist und das auch als eine leicht lädierte Diskothek gelesen werden kann. So ein Sammelplatz des musikalischen Wissens. „Dishoek“ kennt diesen Reichtum und freut sich daran, mit seiner ruhig in sich justierten Musik.
Wo das Sammeln und Schichten bei Guido Möbius rund und angenehm im Ohr liegt, klingt es bei Go:Gol zerschlissen und disparat. Kratzbürstiger. Aber Schönklang ist auch gar nicht das Interesse von Andreas Gogol, dem Berliner Künstler, Filmemacher und musikalischen Kollaborateur von Simon Fisher Turner und C-Schulz. Auf „Gorymaaz“ interessiert ihn eher, wie so ein Song überhaupt funktioniert und ab wann er als Song funktioniert und wie viel man zerstören kann, dass er noch funktioniert.
Im ersten Titel hört man das beharrliche Hacken einer mechanischen Schreibmaschine. Schweres Rhythmusgerät. Es geht also um Arbeit, auch sehr handfest, körperlich, bei dieser wüsten Gemengenlage aus Schrammelgitarre, verzerrten Stimmfetzen und knirschendem Krach. Zerborstene Songgerippe ragen hü aus der Abraumhalde heraus, und hott formen sich aus den musikalischen Trümmern erst die Songs. Zwischen diesen Dissonanzen findet sich auf „Gorymaaz“ auch etliches Soundexperimentelles, das noch gar nicht recht weiß, auf welche Seite es hin will. Insgesamt hört sich das alles gerade in seiner offenen Form berückend. Wer sich jedenfalls im Irrwitz von einem Eugene Chadbourne heimisch fühlen kann, wird auch bei Andreas Gogol gerne einen Besuch machen. Und Testhören kann man am morgigen Samstag im Ausland, wenn beide, Guido Möbius und Go:Gol, ihre Musik live präsentieren. THOMAS MAUCH