Berliner Platten : Auch Erinnerungsarbeiten in Pop und Jazz: Katharina Franck gönnt sich wieder das Rainbirds-Gefühl, und Esther Kaiser schaut zurück auf wohl temperierte Cocktail-Musik
Nicht gerne, aber es muss sein. Die olle Kamelle muss noch mal raus, noch mal ausgepackt werden. Denn es ist zwar fast zwei Jahrzehnte her, dass eine Band namens Rainbirds mit einem Song namens „Blueprint“ einen bundesweiten Überraschungshit landete, aber Katharina Franck, die diesen so simplen wie genialen Popsong damals sang und seitdem von den damit einhergehenden Erwartungen verfolgt wird, hat sich nie wieder so angehört wie 1987. Bis heute, bis „First Take Second Skin“, ihrem neuen Album. Niemals in all den Jahren klang Franck so luftig und unbekümmert, so unbelastet von der eigenen Vergangenheit. Die stand ihr lange im Weg, oft wirkte ihre Musik wie der allzu angestrengte Versuch, mit ausdrücklicher Kunstfertigkeit den Fluch des frühen Hits zu vertreiben.
Nun aber traut sie sich endlich wieder so harmlose wie ansteckende Melodien zu schreiben und Pop einfach Pop sein zu lassen. Meist jedenfalls. Und in den wenigen Stücken wie „Tree. Bird. Sky. Forgiveness“, in denen bereits der Titel auf die Bedeutungsüberfrachtung hinweist, lassen wenigstens die Arrangements den Hörer atmen. Die sind zwar altmodisch, erinnern aber doch an die besten Momente eines Lloyd Cole oder an den leicht vertrackten Pop von Prefab Sprout, an die großen Tage des 80ies-Gitarrenpop eben. Heute geht das allerdings durch als Ohrensesselentspannungsmusik für Mittvierziger.
Wer es dagegen vorzieht, sich den Feierabend mit wohl temperiertem Jazz beschallen zu lassen, dem sei der Erwerb von „The Moment We Met“, dem zweiten Album von Esther Kaiser, angeraten. Denn hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Die 30-jährige Sängerin müht sich, sämtliche verfügbaren Modulationen ihrer Stimme vorzutragen, demonstriert tapfer fast den gesamten Umfang ihres Organs, und schickt ihre Band durch die geschmacklich abgesicherten Gegenden des Jazz. Mehr als den Kanon zwischen Cool und Free sollte man dabei nicht erwarten: Hier wird der europäische Ansatz noch mit Verve betrieben, weitgehend ignoriert dagegen die amerikanischen Versuche, an HipHop, R & B und die Wurzeln schwarzer Musik anzudocken.
Dafür sind zwischen zart hingetupft und etwas flotter gegroovt, zwischen verträumt und verrucht nahezu alle Stimmungen im Angebot, zu denen ein Cocktail nicht überschwappt. Widerspruchslos fügen sich auch der Beatles-Evergreen „Eleanor Rigby“ und der scheinbar unkaputtbare Gassenhauer „Over The Rainbow“ ins Konzept. Selbst Chopin und Rilke werden dank den unüberhörbar virtuosen Fertigkeiten von Uwe Steinmetz an Saxophon und Flöte, Pianist Carsten Daerr, Bassist Marc Muellbauer und Schlagzeuger Jens Dohle erfolgreich auf Linie gebracht.
Bisweilen, das mag man einwenden, wird allerdings arg akademisch getrötet, und auch das Stopfen von Blechblasinstrumenten scheint partout nicht aus der Mode gehen zu wollen, aber hin und wieder immerhin schafft es Kaiser, ihrem Vortrag einen Aspekt abzugewinnen, der über den üblichen Barjazz hinausgeht.
THOMAS WINKLER