Berliner Platten : Goethe war ja der Meinung, dass die Kunst überall eine Heimat baut: Das Hub Hildenbrand Trio hat sie in den Jazz hinein gestellt
Auf ein oft als problematisch empfundenes Terrain soll es hier gehen, und deswegen lässt der Berliner Gitarrist Hub Hildenbrand zur Absicherung auf dem Cover seiner CD auch die Philosophen zu Wort kommen. Ernst Bloch zum Beispiel, der mal diesen verheißungsvollen Satz geschrieben hatte: „… so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“
Ein Sehnsuchtsort. Genau so – „Heimat“ – ist nun das Album vom Hub Hildenbrand Trio betitelt. Was ja durchaus auch mal musikalisch gedeutet werden könnte, weiter mit Ernst Bloch und seinen W-Fragen zur Hand: „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir?“ Im Entrée der CD aber will Hildenbrand der Heimat lieber gleich mal das heimisch Tümelnde unter den Füßen wegziehen und mit aus dem Orient herbei gebetenen Arabesken seine Musik an einem, tja, World-Jazz vertäuen.
Wo kommt er nun also her? Der 1971 geborene Gitarrist Hub Hildenbrand studierte unter anderem am Berklee College of Music in Boston als Schüler von Mick Goodrick, er absolvierte Workshops mit John Abercrombie, beschäftigte sich außerdem intensiv mit türkischer Musik und nordindischer Klassik. Was bis auf letzteres auch alles auf der CD zu hören ist. Es gibt also zusammen mit dem Schlagzeuger Ralf Jackowski und dem Bassisten Dirk Strakhof eingespielten gediegenen Gitarrenjazz der Modern-Schule zu hören, und dynamischen Ethnojazz à la Turk (wobei als Gast auf etlichen Titeln der Ud-Spieler Nuri Karademirli dabei ist). Und außerdem noch gibt es klassisch Etüdenhaftes und Collagenmusik und ins Geräuschhafte Drängendes und Folkrockiges, und manchmal sind in das Album dazu sekundenkurze Klangflächen wie eine Spanische Wand als Raumteiler hineingestellt. Eine ganze Menge Holz also. Auf so eine CD aber lässt sich eben eine ganze Menge packen. Hier sind es genau 73, 22 Minuten Musik, die wohl vor allem erst einmal beweisen sollen, dass man viel in petto hat. Viele Zugänge, viele Zugriffe, und den Eisler Hanns kennt man auch noch (allerdings mit einer arg besengerührten, eigentlich um Eisler herumgespielten Interpretation) und eine russische Volksweise … Schnauf! So viel. Zu viel. Da steht man sich oft ein wenig selbst im Weg herum, zumal die gewollte Vielstimmigkeit sich dann meist doch in die Arme eines melancholischen Zartbitterjazz flüchtet.
Wenn man sich aber mal die Zeit genommen hat, diesen ganzen Zettelkasten in einem Stück mit längerem Atem zu verdichten, läuft die Musik zur großen Form auf, mit plausibel gemachten Prozessen (Anspieltipp: „Am Tag der Heimkehr“). Und ein prächtig klingendes Minialbum prall mit bestem, orientalisch inspirierten Folkjazz lässt sich aus dieser „Heimat“ sowieso schnitzen.
In zwei Konzerten, zusammen mit Nuri Karademirli, stellt das Hub Hildenbrand Trio sie vor: am Donnerstag, 25. Oktober, spielt es um 20 Uhr in der Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 32 (10/7 Euro), und einen Tag später um 21 Uhr im Bali-Kino, Teltower Damm 33 (10/8 Euro). THOMAS MAUCH
Hub Hildenbrand Trio: „Heimat“ (Ears Love Music/Rough Trade)