Berliner Platte : Die Cowboys von „BossHoss“ covern weiter Hits mit Steel-Guitar und Waschbrett und das Trio „Beatplanet“ flüchtet in die heile Welt der Sixties
Die Idee entstand, wie konnte es anders sein, an einer Kneipentheke. Die stand zwar nicht in Nashville, Tennessee, sondern in der Kastanienallee, Prenzlauer Berg, aber trotzdem beschlossen Sascha und Alec dort, eine Countryband zu gründen und allseits bekannte Hits mit Steel-Guitar und Waschbrett zu interpretieren. Das Rezept war erfolgreich, jetzt wird die Kuh weiter gemolken. Unter dem überaus treffenden Titel „Rodeo Radio“ gehen BossHoss nun in die zweite Runde. Auf dem Debütalbum „Internashville Urban Hymns“ wurden noch vornehmlich aktuelle Hits nachgespielt, diesmal geht es entschieden weiter zurück in die Popgeschichte: Dran glauben müssen unter anderem der Soul-Klassiker „I Say A Little Prayer“, der Tom-Jones-Gassenhauer „It’s Not Unusual“, das nervige „Ça Plane Pour Moi“ von Plastic Bertrand und schließlich auch noch das dieser Tage unvermeidliche „You’ll Never Walk Alone“ (das mit drei anderen BossHoss-Songs als Soundtrack der klamaukigen Fußball-Filmkomödie „FC Venus“ eingesetzt wurde). Drei Jahre nach der Gründung hat die Berliner Cowboys allerdings der Ehrgeiz gepackt: Fanden sich auf dem Erstling gerade mal drei Eigenkompositionen, stammt nun gut die Hälfte der Songs auf „Rodeo Radio“ aus der Feder von Boss und Hoss. Die Kompositionen der beiden Herrenunterhemdenträger fallen aber notgedrungen etwas ab im Vergleich zu den unkaputtbaren Klassikern, an denen man sich sonst so gern vergeht. Kaum eine Pointe ist gut genug ist, um sie zweimal hintereinander zu erzählen: Dieser Witz immerhin funktioniert dieses eine Mal noch leidlich.
Der frechen Adaption fremden Stilguts widmen sich auch Beatplanet mit allergrößter Hingabe. Welcher Zeit sich diese Kopisten annehmen, verrät bereits der Bandname. Eine Legende dazu hat man sich auch gestrickt, nach der das neue Album „Wer beatet mehr?“ die Wiederveröffentlichung von Aufnahmen einer ostdeutschen Beatband aus dem Jahre 1964 sei. Als Antwort auf die Beatlemania im Westen besang die Arbeiter-und-Bauern-Combo in „Laika – Ein Leben für den Fortschritt“ die tapfere Weltraumhündin oder ganz im Sinne des sozialistischen Aufbaus „Die Liebe der Kosmonauten“, aber trotzdem landeten die Aufnahmen im Giftschrank der örtlichen SED-Kulturkreisleitung. Die Wirklichkeit allerdings ist kaum weniger interessant, besteht die Band doch zu drei Siebteln aus Mitgliedern von Sofaplanet. Das Berliner Trio gelangte mit dem Hit „Liebficken“ dereinst zu zweifelhaftem Ruhm, verzweifelte anschließend daran, auf ein Image als Teenieband festgenagelt zu werden, und löste sich frustriert auf. Mit Beatplanet flüchtet man sich nun in die scheinbar heile Welt der Sixties, und stellt nicht nur den Beat jener Tage nach, sondern erinnert bisweilen liebevoll auch an die Singebewegung, den real sozialistischen Schlager und natürlich den Swing von Manfred Krug. Das hat durchaus Charme und wird vom Erscheinungsbild, ob Plattenhüllengestaltung oder dem wie angegossen sitzenden Samtsakko, perfekt ergänzt und nur sehr vorsichtig gebrochen.
Thomas Winkler