Berliner Platte : Was Erwartungshaltungen bewirken können: Samba schüttelt jede Stimmung locker aus dem Ärmel, aber Hund am Strand liefern bedenkliche Live-Aufnahmen
Samba? Aber die sind doch aus Münster, was haben die hier in dieser Rubrik verloren? So falsch sind die aber gar nicht: Denn zwar sind Samba seit Jahren eine westfälische Institution, aber mittlerweile leben nur noch Sänger, Gitarrist und Texter Knut Stenert und Bassist Götz Grommek dort. Der Rest der Besetzung für das sechste Album „Himmel für alle“ rekrutiert sich aus Berliner Musikern: Tobias Siebert (Delbo, klez.e), Ramin Bijan (Die Türen, The Say-Highs) und Florian Lüning (Delbo). Auch Stenert denkt dem Vernehmen über eine Luftveränderung nach und muss sich nur noch zwischen Hamburg und Berlin entscheiden.
Dieses Dilemma mag symbolisch stehen für die Geschichte von Samba: Stenerts Songs waren stets einen Hauch zu fröhlich, um wirklich im Diskurs-Pop anzukommen, der in höchster Blüte stand, als Samba sich 1994 gründeten. Andererseits aber waren sie – obwohl man sich nach einem Turnschuh benannte und das erste Album „Zuckerkick“ taufte – aber auch wieder zu hintergründig, um das Publikum der Sportfreunde Stiller unterhalten zu können. So zwischen den Stühlen, ohne große Erwartungshaltungen, die es zu befriedigen galt, hatten Stenert und seine wechselnden Mitstreiter dafür ausreichend Ruhe und Zeit, sich beständig weiterzuentwickeln. Jede Band, die was auf sich hält, findet ihr jeweils aktuelles Album besser als das vorherige, aber bei Samba stimmt das mal tatsächlich: Von den mitunter arg bratzigen, dafür aber jugendlich stürmischen Anfangstagen hat man sich zu einer altersmild swingenden Gitarren-Pop-Band entwickelt, die unbeschwerte Sommerstimmung „Fair“) ebenso locker aus dem Ärmel schüttelt wie leicht schiefe Melancholie „Alle meine Gründe“). Mit den Jahren sind die musikalischen Zwischentöne ins Zentrum gerückt.
Gleiches gilt auch für Stenerts Texte, die mit ihm gealtert sind. Wo früher vor allem amüsante, aber bisweilen ungelenke Nabelschau war, sind nun souveräne Betrachtungen des Alltags, die nicht mehr hassen müssen, sondern stets menschenfreundlich sind, ohne gleich im Kitsch zu versinken. Mit seiner immer ein wenig euphorisiert klingenden Stimme kann Stenert Formulierungen wie „abartige Wahrheiten“ und „Eroberung kommt glorreich“ singen, ohne rot werden zu müssen, und ganz problemlos Tröstendes über lang währende Beziehungen mitteilen: „Man sagt es wird immer nur besser / Wir warten ab und sind bereit.“
Eindeutig aus Berlin kommen Hund am Strand. Das Trio verkürzt die Wartezeit zwischen ihrem im letzten Jahr gefeierten Debut „Adieu Sweet Bahnhof“ und dem gerade in Arbeit befindlichen Nachfolgealbum mit einer EP: Auf „Werkstatt live“ finden sich neben den beiden Hits „Jungen Mädchen“ und „Neues Lied“, die auch als Videos zu sehen sind, drei neue Songs, die gegenüber dem bekannten Material nicht abfallen. Die Qualität der Live- Aufnahme vom Mai dieses Jahres ist allerdings bisweilen bedenklich, und um Fabian Schwingers manchmal bedrohlich abschmierende Stimme muss man sich Sorgen machen. THOMAS WINKLER