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■ BerlinalieRelativiertes „Denkzeichen“

Was man einmal für eine hauptstädtische Provinzposse halten konnte, wächst sich allmählich zum handfesten politischen Skandal aus. Nachdem der Versuch einer Bürgerinitiative, die letzte erhaltene Berliner Vereinssynagoge in Steglitz öffentlich nutzbar zu machen, am Widerstand des Eigentümers gescheitert war, beschloß das Bezirksparlament 1990 einstimmig, auf dem gegenüber gelegenen Hermann-Ehlers-Platz ein „Denkzeichen“ zu errichten. Es sollte an das ausgelöschte Miteinander von Nichtjuden und Juden in dem gutbürgerlichen Berliner Bezirk erinnern.

Anfang 1993 starteten lokale Nachwuchsgrößen von CDU und FDP jedoch eine Kampagne gegen eben dieses „Denkzeichen“ – eine per Wettbewerbsverfahren gekürte „Spiegelwand“ von Joachim von Rosenberg und Wolfgang Göschel. Inzwischen waren nämlich die „Republikaner“ mit 8,3 Prozent in das Steglitzer Parlament gelangt. Die „Spiegelwand“, auf der Deportationslisten und Informationen über jüdisches Leben zu sehen sein sollten, nahmen die unbekümmerten CDU- Lokalgrößen zum Anlaß, die gebeutelte Partei auf dem rechten Rand zu profilieren. Von „Schuldgefühlskoliken“ war da die Rede und von „Gedenkstättenhysterie“.

Jetzt hat die SPD, einst strikter Befürworter der „Spiegelwand“, mit der CDU einen Kompromiß ausgekungelt. Statt, wie von den Künstlern aus wohlerwogenen Gründen vorgesehen, elf Metern „Spiegelwand“ sollen es nun nur noch sieben Meter sein. Diese Verkürzung geht vor allem auf Kosten der Deportationslisten und damit der historischen Wahrheit. Und das ist durchaus beabsichtigt: Das Kapitel über das NS-Regime und seine singulären Verbrechen soll im Buch der deutschen Geschichte ein wenig kürzer gefaßt werden.

Steglitz ist kein Einzelfall. KZ-Gedenkstätten, die nach 1945 als sowjetische Internierungslager dienten, sollen um eine Stalinismus-Abteilung „bereichert“ werden; im sächsischen Radeberg beschloß man, ein Massengrab für NS-Opfer in ein Denkmal für die „Opfer undemokratischer Regime 1933 bis 1989“ umzuwandeln. Ganz zu schweigen von der Kohlschen Neuen Wache. Um den Etappensieg der Relativierer in Steglitz zu verhindern, drohen die Künstler nun, der verstümmelten Version ihres Denkmals die Zustimmung zu verweigern. Horst Seferens

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