■ Benutzerfreundliche BVG: Schwarzfahrer
Die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), berüchtigt als rüder „Zurückbleiben-Haufen“ im biederen Nahverkehrslook, ist so langweilig nicht. Im Gegenteil. Angegraute werden sich vielleicht erinnern, daß die rollenden Gelben die Berliner einmal zum revolutionären Schlagerhit animierten. „Nee, nee, nee. Eher brennt die BVG“ avancierte zur Liebeserklärung an den 129er zwischen Kreuzberg und Halensee. Ein alter Hut ist schon, daß die Pannenbahnen Scharen Jugendlicher zum S-Bahn-Surfen stimulieren. Auch das Räuber-und-Gendarm-Spiel zwischen Schwarzfahrern und Rentnern im vollen Uniformwichs setzt Energie frei. Nun erzeugen die Fahrpreise einen kreativen Schub bei allen, die genug von den Sonderregelungen haben. Wer etwa seine alte Mutter für eine Woche in die Metropole des öffentlichen Personennahverkehrs einlädt und sie mit dem Sechs-Tage-Sonderticket durch die Stadt jagt, kommt nicht umhin, sie ab Sonntag früh um fünf Uhr mit einem neuen Schein an die Rollbahn zu bringen. Kurzstrecken, Monatskarten, Omnibusservice – alles viel zu kompliziert. Darum machen sich nun die Cleveren die Tickets selber. Individuell, umweltfreundlich, fälschungssicher. Mit Spezialdruckern und Farbkopierern, Mikroschrift und Fluoreszenz sollen 1994 schon Wertmarken für 430.000 Mark im Umlauf sein. Die Polizei lobt die „bemerkenswerte Qualität“. Und angeboten werden die Marken in Lokalen, aber auch in der Nähe von U-Bahnhöfen und vor BVG-Schaltern, in denen böse Angestellte große Scheine nicht wechseln wollen. Die BVG sollte sich über dergestalt sträfliche Handlungen nicht den Kopf zerbrechen und Innovationsfähigkeit zeigen: einfachere Regelungen, niedrigere Tarife. Sonst schenken einige mehr der Oma den Oster-Freifahrschein. Oder sie druckt ihn gar selber. rolli
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