Benjamin Hirsch zu Bengalos beim Fußball: "Feuer und Flamme sein"
Gut möglich, dass in manchen Stadien bald Bengalos abgebrannt werden dürfen. Ultra-Vertreter Benjamin Hirsch hält das für längst überfällige. Bengalos seien "fester Bestandteil der Fankultur".
taz: Herr Hirsch, 150 Ultra-Gruppierungen unterstützen eine Initiative, die mit DFB und DFL über das Abbrennen von Pyrotechnik verhandelt. Außenstehende tun sich schwer zu begreifen, warum Fans brennende Fackeln brauchen.
Benjamin Hirsch: Außenstehenden fällt es generell schwer, Sub- und Jugendkulturen zu verstehen. Auch die Ultras verstehen sich als eigene Subkultur mit eigenem Lebensentwurf und eigenen Ritualen.
Die Gruppen entwerfen eigene Kleidung und Choreografien, dichten eigene Lieder. Aber warum gehört es dazu, mit Knallkörpern und Fackeln zu hantieren?
Vorsicht, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Böller und Kanonenschläge haben im Stadion nichts zu suchen. Die sind viel zu gefährlich. Die Unterzeichner formulieren das in dem Manifest auch genau so. Anders sieht es mit den bengalischen Feuern aus. Die Szene hat ihre Wurzeln in Italien und da sind bengalische Feuer ein fester Bestandteil der Fankultur. Feuer und Flamme für den Verein - das wird mit diesem Stilmittel symbolisiert.
Wollen Sie behaupten, dass Fackeln, die 1.000 Grad heiß werden, ungefährlich sind?
Die Szene argumentiert so: Verletzungen entstehen, weil die Fackeln in der Enge der Kurve in Verstecken gezündet werden; bei verantwortungsvollem Umgang, wenn der Abstand zum Nebenmann groß genug ist, passiert aber nichts.
ist Anwalt in Würzburg. Hirsch berät die Initiative "Pyrotechnik legalisieren" und ist Mitglied in der AG Fananwälte.
Stimmt das denn?
Wenn man sieht, wie viele tausend Bengalos in den letzten Jahren abgefackelt wurden, ist tatsächlich wenig passiert. Und wenn die Fackeln nicht mehr in der Enge einer vollbesetzten Kurve gezündet würden, sind die Gefahren kontrollierbar. Das Konzept sieht deshalb vor, dass man sich in jedem Stadion mit dem Sicherheitschef zusammensetzt und Pyro-Zonen ausweist. Das heißt natürlich, dass jeder dort sofort identifizierbar ist, der sich nicht an die Absprachen hält.
Der Reiz der Pyrotechnik ist aber doch gerade, dass sie verboten ist. In der Kurve wird jedenfalls ordentlich gefeixt, wenn der Stadionsprecher mal wieder bittet, das Gezündel zu unterlassen.
Mag sein. Aber die Gruppierungen, die das Manifest unterzeichnet haben, wissen, dass sie ganz gehörig über ihren Schatten springen müssen, wenn sie eine Lösung wollen. Es ist jedenfalls wesentlich gefährlicher, die Fackeln in der brodelnden Masse zu zünden. Durch den Verfolgungsdruck war das bislang kaum anders möglich.
Was meinen Sie?
Polizei und Justiz kriminalisieren die Pyros. Sie zu zünden, wird nicht als Ordnungswidrigkeit gesehen, sondern als Straftat, als versuchte Körperverletzung. Selbst wenn nichts passiert, wird also unterstellt, dass ein Ultra absichtlich seinen Nebenmann verletzen will oder das zumindest billigend in Kauf nimmt. Das ist absurd.
Warum setzen sich DFB und DFL denn mit der Initiative überhaupt an einen Tisch?
Ich glaube, sie haben gemerkt, dass das jahrelange Katz-und-Maus-Spiel die Fronten nur verhärtet hat. Durch Repression ist das nicht in den Griff zu kriegen.
Wie verliefen die Gespräche?
Beide Treffen waren erstaunlich produktiv und offen. Auf Verbandsseite war der scheidende DFB-Sicherheitsberater Helmut Spahn dabei. Und DFB-Vize Rainer Koch. Das zeigt schon, dass man es ernst meint. Wir hatten bei allen den Eindruck, dass sie die Kompromissbereitschaft der Kampagne unterschätzen. Die Verbände haben gemerkt, dass sie es mit intelligenten Menschen zu tun haben, mit denen man reden kann. Die Fronten sind dadurch aufgeweicht.
Was heißt das konkret?
Die Ultra-Gruppen werden in einem Zeitraum, der nicht publik gemacht wird, auf Pyros verzichten. Daraufhin gibt der Verband einzelnen Vereinen die Möglichkeit, das Abbrennen in kontrollierbaren Zonen zu genehmigen. Das wird erst mal über Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit Ordnungsbehörden passieren. Und zwar schon in dieser Saison.
Kritiker der Initiative glauben, dass es bei DFB und DFL einige gibt, die insgeheim auf ein Scheitern des Experiments hoffen, um danach sagen zu können: Ihr hattet eure Chance, die habt ihr vertan.
Ich glaube das nicht, denn durch solche Taktiererei würde man die moderaten Kräfte in der Kurve angreifbar machen. Es wissen ja alle Beteiligten, dass es auch andere Leute in der Kurve gibt. Und wenn man dennoch lieber von DFB-Seite zur harten Welle zurückkehrt, sind wir halt wieder beim Status quo.
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