Benedikt XVI. besucht Großbritannien: Kein Interesse am Papst
Am Donnerstag reist Benedikt XVI. nach Großbritannien. Ein Großteil der Bevölkerung hat daran nur wenig Interesse, ärgert sich aber über die Kosten des Besuches.
DUBLIN taz | Großbritannien bekommt hohen Besuch: Am Donnerstag reist der Papst in das Königreich, aber das Interesse hält sich in Grenzen. Von den 400.000 Eintrittskarten für die drei Veranstaltungen in Glasgow, London und Birmingham zu Preisen zwischen 5 und 20 Pfund sind noch viele übrig. Pfarrer sollen die Tickets nun an Schulkinder verteilen, damit die Lücken im frommen Publikum nicht allzu groß sind.
Dabei ist es der erste Staatsbesuch eines Papstes in Großbritannien, seit König Heinrich VIII. sich im 16. Jahrhundert von Rom losgesagt hat. Die heutige Amtsinhaberin, Elisabeth II., das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, wird Benedikt XVI. in der schottischen Hauptstadt Edinburgh begrüßen, weil sie in der Gegend ohnehin Urlaub macht. In London gibt Premier David Cameron am Samstag ein Staatsbankett für den Gast aus dem Vatikan. Dabei sein werden Camerons Vorgänger: Gordon Brown, Tony Blair, John Major und Margaret Thatcher.
Der letzte Besuch eines Papstes in Großbritannien ist fast 30 Jahre her. Johannes Paul II. kam 1982 aber nicht als Staatsgast, sondern es war eine Pastoralreise auf Einladung der katholischen Bischöfe. Damals gingen noch zwei der gut fünf Millionen Katholiken - knapp 10 Prozent der Bevölkerung - regelmäßig in die Messe, heute ist es nicht mal die Hälfte. Es wären noch weniger ohne die Einwanderer aus Polen, Nigeria und den Philippinen.
Aber sie haben ihre Minderwertigkeitskomplexe abgelegt. "In den sechziger Jahren war man als Katholik Außenseiter", schreibt der Journalist Stephen Bates. "Es gab keine katholischen Vorbilder in Großbritannien. Als John F. Kennedy - jung, dynamisch und katholisch - US-Präsident wurde, war das aufregend für uns. Er war einer von uns."
Heute ist das anders. Die aktuelle Ausgabe der katholischen Zeitschrift Tablet enthält eine Liste von 100 einflussreichen britischen Katholiken. So mancher von ihnen hat tief in die Tasche gegriffen, um den Papstbesuch zu finanzieren. 10 Millionen Pfund muss die Kirche aufbringen. Neben den Gaben der Prominenten und den "Pflichtspenden", wie die Eintrittskarten offiziell heißen, will die Kirche das Geld durch den Verkauf von Andenken aufbringen: Pappstatuen in Lebensgröße, nickende Benedikts für die Autoablage, Popes Cologne.
Es wird natürlich auch Proteste geben. Eine Koalition aus Menschenrechtlern, Atheisten, Opfern von Missbrauch durch katholische Priester und reformbereite Katholiken wollen in London demonstrieren. Der 84-jährige nordirische Presbyterianerpfarrer Ian Paisley rückt mit 60 seiner Kollegen an, um gegen den Umgang der Hierarchie mit den Missbrauchsfällen zu protestieren.
Den meisten Briten wäre Benedikts Besuch egal, wenn da nicht die Kosten wären. 12 Millionen Pfund muss der Staat zuschießen, weil es ein Staatsbesuch ist, und dabei sind die Kosten für das Polizeiaufgebot nicht mitgerechnet. 76 Prozent der Briten finden, dass diese Ausgabe in Anbetracht des britischen Rekorddefizits unangebracht sei.
Der Papstbesuch werde es Großbritannien ermöglichen, neue Energie zu tanken, meint Kardinal Keith OBrien, der Chef der schottischen Katholiken. Benedikt wird auch mit dem Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, dem geistlichen Oberhaupt der 80 Millionen Anglikaner weltweit, zusammentreffen. Zum Schluss seines viertägigen Besuchs steht in Birmingham die Seligsprechung von Kardinal Henry Newman auf dem Programm, dem nach Blair berühmtesten Konvertiten, der 1845 zum Katholizismus übergetreten ist. Viele empfinden das als Provokation. Der Vatikan bezeichnet es als "ökumenische Geste".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen