Beliebtheit der FDP nimmt rapide ab: Die gelben Versprechen
Harte Zeiten: Obwohl sie kaum möglich sind, hält die FDP wie ein bockiges Kind an Steuersenkungen fest. Und in der Wählergunst ist sie auch schon um drei Punkte abgesackt. Besonders unbeliebt: Brüderle.
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BERLIN taz/ap | Die FDP hat nach Bildung der neuen Bundesregierung in der Wählergunst deutlich eingebüßt. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage sank sie binnen Wochenfrist um drei Prozentpunkte. Besonders schlecht schneidet in einer zweiten Umfrage FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ab.
Lediglich 29 Prozent der in diesem Fall 1.005 Befragten glauben, der Liberale könne dazu beitragen, dass die Wirtschaft wieder anzieht. Die große Mehrheit von 48 Prozent ist anderer Ansicht. Selbst von den FDP-Anhängern haben nur 35 Prozent Zutrauen zu Brüderle, 57 Prozent glauben dagegen nicht, dass er für den Aufschwung sorgen kann.
Auch bei Rösler und Schäuble überwiegt die Skepsis
Auf nur etwas mehr Zutrauen kam der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler. Dass der FDP-Politiker dazu beitragen kann, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland bezahlbar bleibt, glauben 36 Prozent, hier antworteten 47 Prozent mit Nein. In der eigenen Anhängerschaft der Liberalen halten sich Zuversicht (46 Prozent) und Skepsis (48 Prozent) aber fast die Waage.
Dem neuen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU trauen dagegen 41 Prozent der Befragten zu, dass er das Steuersystem gerechter machen wird. Mit 50 Prozent war allerdings auch dabei der Anteil der Skeptiker hier höher.
FDP sind Staatsfinanzen egal
Wenn es um Steuersenkungen geht, sind der FDP die Staatsfinanzen ziemlich egal. Dazu traf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Dienstag eine interessante Aussage. Die durch die Wirtschaftskrise sinkenden Steuereinnahmen dürften kein Argument gegen Steuererleichterungen und damit wachsende Haushaltslöcher sein, so Brüderle. "Im Gegenteil: Wenn die Kassenlage so schlecht ist, muss man etwas tun."
Brüderles Hoffnung: Niedrigere Steuern führen zu mehr Wirtschaftswachstum und zur langfristigen Sanierung der Staatsfinanzen. Optimistisch reagierte er damit auf die ersten, zurückhaltenden Zahlen des Arbeitskreises Steuerschätzung. Die Experten tagen bis Donnerstag, um die Einnahmen der öffentlichen Hand für die nächsten Jahre zu prognostizieren.
Ihre Botschaft kommt der Regierung ungelegen. Stellt sie doch eine wichtige Annahme in Frage, die Union und FDP getroffen haben, um mögliche Steuersenkungen zu begründen. Die Steuereinnahmen steigen in 2010 vermutlich weniger schnell, als die Koalition hofft – der finanzielle Spielraum könnte deutlicher kleiner ausfallen.
Fünf Milliarden Euro zusätzlich
Gegenüber der pessimistischen Steuerschätzung vom vergangenen Mai rechnet die Regierung mit zusätzlichen rund fünf Milliarden Euro, die sie pro Jahr mehr verteilen könnte. In seiner Vorlage für die Steuerschätzung geht das Bundesfinanzministerium laut dpa dagegen nur von einem minimalen Zuwachs der Einnahmen von 1,5 Milliarden in 2010 aus. Dem stehen schon Steuersenkungen von rund sieben Milliarden Euro gegenüber, die die Koalition als Sofortprogramm plant. Ein zusätzlicher Spielraum ist nicht erkennbar. Das kann sich in den kommenden Jahren ändern, bisher sieht es jedoch nicht danach aus.
Die Dramatik der Haushaltslage wird vollständig deutlich, wenn man die Ansätze der aktuellen Schätzung mit den Einnahmen in 2008 vergleicht. Damals verbuchten Bund, Länder und Gemeinden rund 561 Milliarden Euro. In diesem Jahr werden es dagegen etwa 527 Milliarden sein, 2010 wahrscheinlich nur noch 510 Milliarden - ein Rückgang um 51 Milliarden innerhalb von zwei Jahren. Jeder Einnahmeausfall durch Steuererleichterungen vergrößert das Defizit.
Dramatische Haushaltslage der Kommunen
So sieht auch die Lage der Bundesländer und der Gemeinden, die sich die Steuereinahmen mit dem Bund teilen, nicht gut aus. Die Länder müssen 2010 im Vergleich zu 2008 auf rund 20 Milliarden verzichten, die Gemeinden auf etwa zehn Milliarden.
Die von der EU prognostizierte Wirtschaftserholung in den nächsten beiden Jahren dürfte daran nicht viel ändern. Trotz höheren Wachstums rechnen die Experten mit Haushaltsdefiziten des deutschen Staates von etwa fünf Prozent in 2010 und 2011. Das macht jeweils rund 120 Milliarden Euro Miese für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen - ohne die Einnahmeausfälle einer großen Steuerreform mit Stufentarif, die die FDP gerne hätte.
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