■ Belegt Bruns Rücktritt grüne Politikunfähigkeit?: SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage: Anna Bruns Positionen sind zwar politisch, aber keine Politik
Politisch nicht erfolgreich“, ist ein hartes Urteil, das Anna Bruns in der vergangenen Woche als Bilanz ihrer parlamentarischen Arbeit traf. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte die Arbeit von Anna Bruns im Sinne ihrer eigenen Ziele keineswegs für erfolglos. Allerdings erlaube ich mir an dieser Stelle die Frage, ob diese Arbeit tatsächlich politisch war.
Ein Beispiel: Am neuen Handlungskonzept St. Georg, so Frau Bruns, zeige sich die mangelnde Wirkung der grünen Regierungsbeteiligung auf die Politik des Senats. Die Drucksache sei nichts anderes als ein „grünes Bettlerpapier“. Der gewählte Begriff ist polemisch, und er wird der Arbeit der GAL-Senatskollegen am HandlungskonzeptSt. Georg nicht gerecht. Aber er erkennt auch indirekt an, daß sich die innenpolitischen Themen dieser Stadt in den letzten zwei Jahren nicht verändert haben. Verändert hat sich nur die Rolle, in der die GAL diesen Themen begegnet.
Die Regie-rungsfähigkeit ist für manche in der GAL noch immer ein Dilemma, ein Dilemma mit vielen Facetten. Der Rücktritt von Anna Bruns wirft ein Schlaglicht darauf. Für eine den Senat tragende Fraktion verläuft die Trennlinie politischer Wahrnehmung und Politikformulierung nicht mehr zwischen dem politisch Korrekten und dem politisch Inakzeptablen, sondern zwischen politischer Handlungsfähigkeit und politischer Handlungsunfähigkeit. Besonders akut zeigt sich dies in der Innenpolitik.
Innenpolitik braucht einen pragmatischen Ansatz, der von Illusionen ebenso frei ist wie von Defaitismus. Dieser Ansatz entbindet die Innenpolitik nicht von Reformanspruch und Reform, aber er bringt sie in offensichtlichen Gegensatz zu Political correctness. Diese gibt sich prinzipientreu und insoweit hochpolitisch. Sie hat damit eine unstrittig wichtige Funktion als kritische Instanz der gesellschaftlichen Debatte, auch des politischen Kommentars. Aber sie ist nicht Politik!
Wo sie sich aber als Politik an sich gibt, übt sie sich in pragmatischer Wirklichkeitsverweigerung und verweigert damit auch die eigentliche Aufgabe von Politik, gesellschaftliche Probleme demokratisch zu lösen. Wer aber diese Kompetenz nicht bietet, ist letztlich nicht politisch, sondern gebärdet sich allenfalls so. In der Opposition mag das noch funktionieren, in Regierungsverantwortung aber wird es eng. Anna Bruns hat das erkannt, und sie hat die Konsequenzen gezogen.
Political correctness, der Fundamentalismus im Pluralismnus, lähmt Politik. Das zeigt sich in beiden Politikfeldern, die Anna Bruns besonders beschäftigt haben: in der Drogen- wie in der Ausländerpolitik. Die politisch korrekte Kritik am Handlungskonzept St. Georg ist sattsam bekannt: Massive Polizeipräsenz im Stadtteil erschwere die Arbeit der dort tätigen Drogenhilfeeinrichtungen, bedeute zusätzliche Belastungen und Kriminalisierung für die Drogenabhängigen. Sie behebe weder Ursachen von Sucht noch verhindere sie letztlich den Drogenhandel. Auch die Auflösung verfestigter Treffpunkte von Randständigen am Hauptbahnhof sei keine Lösung des Problems von Armut, Arbeits- und Wohnungslosigkeit.
Niemand bestreitet das. Erforderlich ist allerdings die Frage nach den Alternativen. In der politisch korrekten Argumentation zu St. Georg wird konsequent ausgespart, was der vermutlich politisch korrekte Verzicht auf polizeiliche Repression für den Stadtteil, seine Bewohner und die ansässige Wirtschaft bedeuten würde. Ausgespart bleibt auch die Frage, wie man öffentliche Akzeptanz für liberale Drogenpolitik und für Gesundheitsräume schaffen und erhalten will, wenn man Stadtteile wie St. Georg oder das Schanzenviertel der Drogenkriminalität preisgibt und nicht für die Wohnbevölkerung sicher und lebenswert erhält. Insofern behindert Repression akzeptierende Drogenarbeit weniger, als daß sie überhaupt erst die Rahmenbedin-gungen dafür schafft, indem sie Symptome eines Problems mildert, das sie anerkanntermaßen nicht lösen wird. Das ist die ebenso nüchterne wie politisch realistische Erkenntnis, an der Political correctness in diesem Fall ihre Gebote überprüfen muß, wenn sie politisch glaubwürdig sein will.
Eines ist dabei gewiß: Angesichts sozialer Spaltung, die sich zunehmend in räumlicher Spaltung der Stadt fortsetzt, wird sich an die Hamburger Innenpolitik immer wieder die Frage stellen, wie unter diesen Bedingungen großstädtische Lebensqualität erhalten werden kann. Im weitesten Sinne sozialpolitische Maßnahmen spielen dabei unstrittig die tragende Rolle. Aber auch die Sanktionierung sozial unakzeptablen Verhaltens gehört untrennbar dazu. Aus der Debatte darüber allerdings verabschiedet sich Political correctness schlicht und überläßt damit ein Thema den Stammtischen, das doch gerade keinen Beifall von der falschen Seite, sondern vielmehr eine ausgewogene Debatte über Ursachen, Alternativen und Langfriststrategien erfordert.
So habe ich Respekt vor Anna Bruns' Toleranz, vor ihrem sozialen Engagement und vor ihrem Mitgefühl für Benachteiligte. Aber ich kann ihre, an der Kritik am Handlungskonzept St. Georg erneut deutlich gewordene, zumindest partielle Verweigerung der Wirklichkeit – und die damit in Kauf genommene Problemlösungsinkompetenz – eben auch nicht verkennen. Dies gilt in der Drogen-, aber auch in der Ausländerpolitik, in der wir immer wieder Konflikte auszutragen hatten.
Ich teile Anna Bruns' grundsätzliche Kritik an der Hamburger Ausländerpolitik nicht. Aber diese Kritik und ihr Engagement gehören in die demokratische Diskussion, und sie bleiben wichtig. Anna Bruns' Positionen sind politisch, aber sie sind keine Politik! Grundsatztreue entbindet keine Abgeordnete und keinen Senator von der Pflicht zum Ringen um Problemlösungskompetenz und Handlungsfähigkeit. Die Verweigerung dieser Pflicht und die resultierende Handlungsunfähigkeit markieren nicht ein politisches Ideal, sondern das Ende von Politik. Vor diesem Hintergrund war Anna Bruns' Rücktritt logisch, konsequent und ehrlich. Hochachtung, Frau Bruns. Hartmuth Wrocklage
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