Bekennerschreiben : Kunst macht korrupt
Es ist geschehen. Nein, „ich habe es getan“, das wäre zu aktivisch: Ein Bild zu ersteigern, hat wenig mit freier Selbstbestimmung zu tun. Es ist ein wehrloses Gehorchen gegenüber einem Impuls. Das gilt sogar bei der Versteigerung der Jahresgaben in der Galerie für Aktuelle Kunst, auch wenn dort auf gängige Psycho-Tricks verzichtet wird. Zum Glück für Suchttypen – bin ich ein Suchttyp? – sind die Posten nicht nach dem Preis geordnet, der Aufrufpreis ist zugleich der Mindestpreis. Und obendrein hat den Weserburg-Kurator Peter Friese sein sympathisch-distanziertes Naturell zum Wissenschaftler bestimmt. Nicht aber zum Auktionator: „...zum Dritten.“ Kein Ausrufezeichen, der Hammer streichelt das Pult wie ein Humboldtscher Satz den Geist – mehr Abtönungspartikel denn semantische Signale. Friese verkündet: „Die Nummer 46 geht an den Herrn mit der 14.“
Das bin ich. Richtiger hätte es allerdings geheißen „an die 14 mit dem Typen dran“, denn auf das Stichwort „zum Zweiten“ hat das Zahlenkärtchen die schlaffe Hand in die Höhe gezogen, und schwupp! ist ein Zehntel Monatsgehalt weg. Na, ist ja ohnehin Fastenzeit.
Jetzt aber heißt es fort, nur fort! sonst brechen alle Dämme: Nummer 47 gehört zur selben Serie wie die 46, die Gebote fallen im Sekundentakt und die Hand zuckt schon wieder. An die Schlachte setzen, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, das Glück genießen: Es ist ja nicht so, dass ich das Bild nicht von Anfang an, das heißt, genau genommen, schon als es bei der Jahresausstellung in der Städtischen Galerie hing, dringlich begehrt hätte. Berührend ist vor allem seine Farbe, obwohl Grün vom Dekor-Standpunkt her fast immer, insbesondere aber dieses Grün reines Gift ist. Genau deshalb aber passt es zum Sujet, macht aus der guten eine brillante Papierarbeit samt ihrer milde-boshaften, begrifflich schwerfassbaren Ironie. Die junge Malerin ist Dänin, lebt und arbeitet in Bremen… Schatten überm Gemüt: Nichts bleibt folgenlos. Wäre ich kein schlechter Mensch, ich müsste meinen Job kündigen. Sorry, Kollegen. Das war’s. Die Rolle des Sammlers, der – alles ist relativ – hemmungslos sein Hab und Gut in Kunst investiert, ist ebenso unvereinbar mit der des Kultur-journalisten wie die des Großaktionärs mit der des Börsenreporters. Einziger Unterschied: Die Gewinnmargen auf dem Kunstmarkt sind natürlich weit größer. Interesseloses Wohlgefallen? Das gibt’s nicht mehr: Korruption hat doch auch was Schönes. Unberührt aber von Anstand und Moral verschweige ich den Namen der Künstlerin und produziere fortan Zeile um Zeile, nur um Kraft meines Einflusses ihren Ruhm zu steigern und zu mehren. Und das Bild? Das behalte ich.
Benno Schirrmeister