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Archiv-Artikel

Beihilfe zum Amoklauf KOMMENTAR VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der tödliche Amoklauf auf dem Campus der US-Hochschule in Blacksburg, dem mindestens 33 Menschen zum Opfer fielen, ist der schlimmste, der sich bislang in der Geschichte der Vereinigten Staaten ereignet hat. Doch er bildet nur den blutigen Höhepunkt einer ganzen Serie von schrecklichen Schulmassakern dieser Art. Kaum ist das spontane Entsetzen überwunden, drängen sich die nahe liegenden Fragen auf: Wenn die größten Gefahren, denen US-Amerikaner ausgesetzt sind, zu Hause und um die Ecke in der Schule lauern, warum wird dann nicht das Naheliegendste getan? Warum gibt es keine effektive Waffenkontrolle?

In allen Fällen waren es die allzu leicht zu erlangenden Waffen, die das Desaster erst ermöglichten: Das ist längst eine Binsenweisheit. Doch es gehört zum amerikanischen Ritual post mortem, dass das Geschehene zuerst betrauert wird, um im nächsten Satz auf das Recht des amerikanischen Bürgers, seine eigene Knarre zu besitzen, zu pochen. Es sei in der Verfassung so verbrieft, verkündet allen voran die National Rifle Association, die Lobby der Gewehrliebhaber. Was so viel heißt wie: Es ist in Marmor gehauen.

War die Nation nach den Terrorattacken vom 11. September nicht sofort bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, zukünftige Angriffe mit allen Mitteln zu verhindern? Es mag unfair sein, diese beiden Ereignisse nebeneinanderzustellen. Doch die bürgerlichen Freiheiten, die jeden US-Bürger vor staatlicher Verfolgung und Schnüffeleien schützen sollen, stehen in der Verfassung. Bei denen aber war man sich 2001 schnell einig, dass sie zu zugunsten der Terrorbekämpfung vorübergehend – und vielleicht für immer – ausgesetzt werden müssten.

Das Recht auf Waffenbesitz dagegen ist historisch gewachsen und eng verknüpft mit der Eroberung des Kontinents. Das macht eine rationale Diskussion darüber nicht einfach. Der Amoklauf von Blacksburg ist ein erneuter Warnruf an die US-Gesellschaft, sich endlich von überkommenen Denkmustern zu trennen. Tut sie das nicht, muss sie lernen, auch in Zukunft mit solchen Massakern zu leben. Denn Amokläufer wird es vermutlich immer geben. Aber man könnte es ihnen schwerer machen, zur Tat zu schreiten.