■ Bei den Wahlen siegten wieder die Sozialisten: Spanien ist (immer noch) anders
Requiem auf das Nudelholz, titelte die rechte Tageszeitung ABC am Montag schadenfroh in bezug auf die bisherige Praxis der regierenden Sozialisten, mittels bequemer Mehrheiten politische Differenzen im Land plattzuwalzen. Ein schwacher Trost freilich für die spanische Rechte. Wochenlang hatte es so ausgesehen, als würde Spanien dem Weg der Nachbarländer folgen, in denen korrupte Sozialisten fallengelassen werden wie heiße Kartoffeln (Frankreich) oder in denen den traditionellen Parteien die Gefolgschaft verweigert wird wie nun in Italien. Die Gründe dafür waren dieselben wie in Resteuropa: Den Sozialisten, noch vor zehn Jahren Hoffnungsträger für eine neue Generation, waren die Ideen ausgegangen, aus engagierten Politikern war eine übersättigte, den Problemen des Landes entfremdete Kaste geworden.
Daß Gonzalez schließlich, wenn auch knapp, aber doch die Wahlen gewann, zeigt hingegen, daß in entscheidenden Momenten in Spanien noch immer andere Faktoren den Ausschlag geben. Die noch wache Erinnerung an Francos Diktatur hat sich in doppelter Hinsicht ausgewirkt: Anders als in Frankreich, wo eine lange Demokratie und die Erfahrung mit rechten Regierungen diese als zwar konservative, aber demokratische Alternative ausweist, ist es Aznar letztlich nicht gelungen, eine Mehrheit der Spanier davon zu überzeugen, daß seine rechte Partei die Fußstapfen ihrer frankistischen Gründer verlassen hat. Zwar wurden die Repräsentanten der „ranzigen Rechten“ während des Wahlkampfs diskret im Hintergrund gehalten, doch sind sie in den Köpfen der Wähler als latente Bedrohung präsent. Zum andern hat sich das Gefühl, die Demokratie sei noch jung und etwas wackelig auf den Füßen, dahingehend ausgewirkt, daß die korruptions- und krisenmüden Wähler nicht zu kleineren Parteien flüchteten, sondern ihre Stimme derjenigen Großpartei gaben, die sie für das kleinere Übel hielten. Italienische Verhältnisse werden hier gefürchtet.
Trotz des erneuten Wahlsiegs der Sozialisten stellen diese Wahlen dennoch einen Wendepunkt im demokratischen Spanien dar. Die Mehrheit der PSOE ist so dünn, daß sie auf Pakte nicht verzichten kann. Und die Rechten sind so stark, daß sie als Opposition ernstgenommen werden müssen. Dialog und neue Anstrengungen hat Gonzalez in der Wahlnacht angekündigt, er selber hat das größte Interesse an einer Befriedung der Gesellschaft: Was sich diesmal nur abzeichnete, könnte das nächste Mal Wirklichkeit werden – ein Ende des Tabus und damit eine rechte Regierung. Antje Bauer, Madrid
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