■ Bei Ministers zu Haus (4) – die Heime unserer neuen Regierung: Leopardenfellgemusterte Tagesdecke
An der Kreuzung rechts abbiegen, dreißig Meter geradeaus, und dann nicht an der Vorder-, sondern der Kellertür klingeln: Wir haben Jospeh Fischers Anweisungen befolgt und befinden uns nun im Untergeschoß des Einfamilienhauses, das der zukünftige Außenminister in der vergangenen Woche bezog. Zwei komplett schmucklose Räume hat er sich hier eingerichtet: An den nackten Wänden hängen keine Bilder, auf dem Boden liegen außer einer Turnmatte keine Teppiche.
Fischer, in T-Shirt, Krawatte und kurzen Hosen, sitzt in einem Trockenrudergerät. Energisch zieht er die Skulle zurück und drückt die Füße gegen das Stemmbrett. „Staatsbesuche hier, Staatsbesuche da“, sagt er mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht, „ich werde ja doch ständig auf Reisen sein, da lohnt es sich nicht, eine große Wohnung zu halten.“ Er erhöht die Schlagzahl. „Leider gibt es hier kein Hotel mit gut ausgestattetem Fitness-Center. Sonst würde ich mich in so eines einmieten.“ Alles, was er sonst brauche, erklärt er ächzend, Wörterbücher zum Beispiel oder Landkarten, werde er „in der Reisetasche immer griffbereit haben“. Er atmet schwer, während ihm der Schweiß in Strömen am ausgemergelten Körper herunterrinnt. „Für Minister gelten ja andere Regeln“, preßt er zwischen den Zähnen hervor, „mein Handgepäck darf so schwer sein, wie es will. Ich kann auch meine Hanteln mitnehmen.“ Wir sollten uns ruhig umschauen, meint er dann, er müsse jetzt noch zehn Minuten rennrudern. Umzuzuschauen ist allerdings nur noch das Nachbarzimmer, in dem wir einen Spind entdecken; außerdem ein Bett mit leopardenfellgemusterter Tagesdecke und eine kleine Topfpflanze. Auf dem Fensterbrett steht eine Familiendose Hormocenta. Nebenan ächzt der Außenminister. Er feuert sich selbst an. „Ja! Und ja! Weiter! Nicht schlappmachen!“ Ein bißchen irritierend wirkt das schon. Die Spindtür steht leicht offen, vielleicht einen Zentimeter. Eher zwei. „Weichei!“ brüllt Fischer. Plötzlich öffnen sich die Schranktüren, und sein Inhalt purzelt heraus: mehrere Paar Laufschuhe, Socken, Tennissocken, eine Stoppuhr, ein Kompaß, Vitamintabletten, Massageöl, Kleiderbügel, eine geöffnete Packung SlimFast, T-Shirts, eine Jogginghose, ein Seesack, ein Fotoapparat, Pudelmütze, Schal, Handschuhe, Adiletten, Aktenordner, Mottenkugeln, eine ungeöffnete Schachtel Zigaretten, Knäckebrot, Papiertaschentücher, Schuhputzmittel, Plastiktüten, Landserheftchen, Rasierzeug, Duschgel, Deo, drei Wollpullover, ein Teddybär, ein Schuhkarton mit Krawatten, Frotteehandtücher, die aktuelle Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, eine Lederpeitsche, eine Gummimaske und ein paar Handschellen.
Nebenan rudert Fischer noch immer. Den Zwischenfall hat er nicht bemerkt – er singt mit klagender, gleichwohl entschlossener Stimme ein modernes albanisches Volkslied, das in anrührender Weise den Westen zum Eingreifen im Kosovo ermuntern soll.
Bleibt zu hoffen, daß für den frischgebackenen Minister auch andere Gepäckkontrollregeln gelten. Carola Rönneburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen