■ Behindert leben: „Ich weiß nicht, ob ich ihnen helfen soll“
Ferial El Atawenh, 22 J., Assistentin
Durch eine Behinderung würde mein ganzes Leben zusamenbrechen. Ich wüßte nicht, wie ich damit umgehen sollte. Behindert sein, das ist eine andere Welt. Mein Chef hat Leukämie. Ich traue mich als Ausländerin nicht, mit ihm darüber zu sprechen. Deutsche haben eine andere Mentalität. Ich weiß nicht, wie er darauf reagieren würde. Mehr als Mitleid kann man da nicht haben.
Dagmar Bredow, 35 Jahre, Schreibkraft
Am wichtigsten bei einer Behinderung ist, daß die Familie zu einem hält. Ich traue mich nicht, mich in diese Situation hineinzuversetzen. Ich mache mir auch nur Gedanken über Behinderte, wenn ich welche auf der Straße sehe, und selbst dann ist es komisch. Ich weiß nicht, ob ich ihnen helfen soll und ob sie das überhaupt wollen. Wahrscheinlich ist es die eigene Dummheit, die einen so unsicher macht.
Eckhardt Milde, 45 Jahre, Diplom-Ingenieur
Ich hab mal in Spandau einen Behinderten umgerannt, als ich in Eile war. Ich war so konsterniert, ich wußte nicht, was ich tun sollte, ich konnte nichts sagen. Erst nach einer Schrecksekunde konnte ich wieder eine vernünftige Handlung vollbringen. An meiner Tochter sehe ich, daß es sogar Kindern schwerfällt, Behinderte zu integrieren, obwohl die sonst recht unkompliziert sind.
Anja Per, 31 Jahre, Bibliothekarin
Für mich wäre es als Behinderte wahrscheinlich nicht mehr möglich, weiterzuleben, weil ich ein sehr aktiver Mensch bin und viel Sport treibe. Ich wäre dann sicher am Ende. Wahrscheinlich würde ich mich umbringen. Ich spreche Behinderte auch nur an, wenn sie Hilfe brauchen. Ich verdränge das, so gut es geht. Ich möchte das so weit wie möglich aus meinem Leben heraushalten.
Umfrage: Martin Hörnle
Fotos: Bente Geving
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